Memoiren 1902 - 1945
ich mit der Bahn zum Bernina Paß befördern und stieg in das Sportflugzeug, mit dem Udet auf dem eingefrorenen kleinen See in Davos gelandet war.
Beinahe wäre es beim Start zu einem Unglück gekommen. Der Platz für den Auslauf der Maschine war kurz: Erschrocken sah ich, wie unser Flugzeug auf die Heustadel am Ende des Sees zuraste. Mit der ihm eigenen Geschicklichkeit zog Udet aber kurz vor den Stadeln die Maschine senkrecht in die Höhe. Starker Rückenwind hatte diese gefährliche Situation verursacht. Nach kurzer Zeit landeten wir mühelos auf der kleinen Eisfläche des Bernina Sees, ganz in der Nähe unserer Filmbauten. Mit großem Hallo wurde ich empfangen. Außer Fanck und seinen Mitarbeitern begrüßte ich die Filmleute, die aus Hollywood kamen. Tay Garnett führte Regie in der amerikanischen Version, mein Partner hieß Rod la Roque.
Die Eisbauten waren fantastisch, die Architekten hatten für die Spielszenen eine echte Arktis-Landschaft gebaut, in der sich große Eishöhlen befanden. Die Arbeitsatmosphäre fand ich ausgezeichnet. Auch der Kontakt zwischen Tay Garnett und Dr. Fanck schien mir gut. Unter der Regie Garnetts zu spielen, war ein wahres Vergnügen. Wäre es nur nicht so bitter kalt gewesen, und hätten sich die Arbeiten nicht so lange hingezogen! Zum Glück hatte ich oft längere Pausen, und unser Produktionsleiter Paul Kohner war großzügig genug, mich an freien Tagen mit Udet nach Davos fliegen zu lassen. Ich
konnte auf der Parsenn mein Skitraining fortsetzen und wurde mit einem Erfolg belohnt. In dem bekannten Parsenn-Derby belegte ich auf dieser langen Abfahrtsstrecke, auf welcher die besten Schweizer Läuferinnen mitfuhren, den zweiten Platz.
Es war schon Mai geworden, und noch immer waren die Aufnahmen nicht zu Ende. Das Eis begann zu schmelzen, und wir mußten noch höher hinauf. So übersiedelten wir auf das dreitausend Meter hoch gelegene Jungfraujoch in den Berner Alpen. Dort entstanden vor allem die Szenen mit den Schlittenhunden.
Endlich, im Juni, war die letzte Klappe des Grönlandfilms gefallen. Zum Abschlug machten alle, die Ski fuhren, die schönste Sommer-Skiabfahrt der Schweizer Alpen, vom Jungfraujoch über den Aletschgletscher hinunter bis in die blühenden Sommerwiesen.
Besuch in der Reichskanzlei
N ach sechsmonatiger Abwesenheit von Berlin mußte ich mich erst wieder an die Großstadt gewöhnen und an die Veränderungen in Deutschland. Daß Hitler Reichskanzler geworden war, hatten wir auch am Bernina Paß erfahren, nichts aber von den Bücherverbrennungen im Mai vor der Universität und den beginnenden Diffamierungen der Juden mit ihrem ersten Boykott in allen Städten. Ich war zutiefst bestürzt und beunruhigt.
In meiner Post fand ich einen Brief meines Freundes Manfred George aus Prag, in dem er schrieb, er habe wie viele seiner jüdischen Bekannten emigrieren müssen, da er in Deutschland nicht mehr arbeiten könnte. Er wollte versuchen, in die USA zu gehen und, was mich am meisten erschütterte, mir wünschte er Glück. Auch von Bela Balazs, mit dem mich ebenfalls ein Freundschaftsverhältnis verband, war ein Brief da, aus Moskau. Er, ein überzeugter Kommunist, wolle vorläufig in Rußland bleiben und später in seine ungarische Heimat zurückkehren. Weinend hielt ich die Briefe in meinen Händen.
Von immer mehr Freunden und Bekannten hörte ich, daß sie Deutschland verlassen hatten. Nur meine beiden Ärzte, Dr. Lubowski, der Verlobte meiner Freundin Hertha, und Dr. Cohn, ein bekannter Frauenarzt, waren noch in Berlin. Viele große jüdische Schauspieler, wie Elisabeth Bergner, spielten nicht mehr, und auch Max Reinhardt und Erich Pommer hatten Deutschland schon verlassen. Was für schreckliche Dinge mußten sich da ereignet haben! Ich konnte das alles gar nicht verstehen. Was sollte ich tun? Seit Dezember hatte ich nichts mehr von Hitler und natürlich auch nichts von Goebbels gehört, worüber ich nur froh war. Nachdem Hitler an der Macht war, wollte ich keine Verbindung mehr mit ihm haben.
Seit der erfolgreichen Premiere des «Blauen Lichts» war über ein Jahr vergangen. In Grönland und später in den Schweizer Alpen hatte ich keine Kontakte mehr mit der Filmindustrie gehabt und war so auch nicht imstande gewesen, den Erfolg dieses Films für meine Karriere zu nutzen. Alles, was «Das blaue Licht» betraf, hatte ich vertrauensvoll in die Hände meines Co-Partners Harry Sokal gelegt. In der langen Arbeitszeit an «SOS
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