Memoiren 1902 - 1945
Augustwoche 1933, als ich telefonisch zu einem Mittagessen in die Reichskanzlei eingeladen wurde. Nichts Gutes ahnend, fuhr ich in die Wilhelmstraße. Brückner empfing mich und wies mir einen Platz an einer langen Tafel an. Etwa dreißig bis vierzig Personen waren schon versammelt, die meisten von ihnen in SA- und SS-Uniform, nur wenige in Zivil. Als einziges weibliches Wesen fühlte ich mich völlig deplaciert. Mit Ausnahme der Adjutanten Brückner und Schaub kannte ich alle diese Männer nicht. Als Hitler den Raum betrat, wurde er mit erhobenem Arm begrüßt. Er nahm den Platz an der Spitze ein. Es wurde lebhaft gesprochen, bald hörte man aber nur noch seine Stimme. Mich bewegte allein nur der eine Gedanke, warum ich hierher bestellt worden war.
Nach Beendigung der Mahlzeit lösten sich die Anwesenden in Gruppen auf. Brückner kam auf mich zu und sagte: «Der Führer möchte Sie sprechen.»
Er führte mich in einen Nebenraum. Dort stand ein Diener an einem kleinen Tisch, um Kaffee, Tee oder Mineralwasser zu servieren, sonst war niemand in dem Zimmer. Kurz danach begrüßte mich Hitler, anscheinend gutgelaunt. Schon seine erste Frage brachte mich in tiefe Verlegenheit.
«Ich habe Sie heute eingeladen, um zu erfahren, wie weit Sie mit Ihren Vorbereitungen für den Parteitagfilm gekommen sind, und ob Sie auch genügend Unterstützung durch das Propagandaministerium haben.» Fassungslos schaute ich Hitler an - wovon redete er? Verwundert über meine Reaktion, sagte er: «Wurden Sie nicht vom Propagandaministerium informiert, daß Sie auf meinen Wunsch einen Film über den Parteitag in Nürnberg machen sollen?» Ich schüttelte den Kopf. Nun war Hitler verdutzt. «Sie wissen nichts davon?» sagte er erregt, «das ist doch nicht möglich. Schon vor Wochen hat Brückner persönlich meinen Auftrag Dr. Goebbels übermittelt. Wurden Sie davon nicht verständigt?»
Wiederum mußte ich es verneinen. Nun geriet Hitler in noch größere Erregung. Er ließ Brückner kommen und fragte ihn aufgebracht: «Haben Sie meinen Auftrag an den Doktor nicht weitergegeben? Warum wurde Fräulein Riefenstahl nicht informiert?» Dabei verkrampfte er seine Hände, er war rasend vor Zorn. So hatte ich Hitler noch nie erlebt. Ehe der erschrockene Brückner antworten konnte, sagte er spöttisch: «Ich kann mir vorstellen, wie neidisch die Herren im Propagandaministerium auf diese junge, begabte Künstlerin sind. Sie können es nicht verkraften, daß eine so ehrenvolle Aufgabe einer Frau übertragen wird und noch dazu einer Künstlerin, die nicht einmal Parteimitglied ist.»
Weder Brückner noch ich wagten etwas zu erwidern. «Es ist ungeheuerlich, daß man meinen Auftrag boykottiert», setzte Hitler hinzu. In barschem Ton forderte er Brückner auf, Dr. Goebbels anzurufen und ihm auszurichten, daß er sofort den Herren seiner Filmabteilung den Auftrag erteilt, mich bei meiner Arbeit in Nürnberg mit allen Mitteln zu unterstützen.
Nun unterbrach ich Hitler, selbst sehr erregt. «Mein Führer, ich kann diesen Auftrag nicht annehmen - ich habe noch nie einen Parteitag gesehen und weiß überhaupt nicht, was da vorgeht, auch besitze ich keinerlei Erfahrung, wie man einen Dokumentarfilm macht. Es ist doch besser, wenn derartige Filme von Parteigenossen gemacht werden, die diese Materie kennen und froh sind, wenn sie mit solchen Aufgaben betraut werden.» Fast beschwörend redete ich auf Hitler ein, der sich langsam entkrampfte und ruhiger wurde.
Er schaute mich an und sägte: «Fräulein Riefenstahl, lassen Sie mich nicht im Stich, es sind ja nur wenige Tage, die Sie sich freimachen müßten. Es ist meine Überzeugung, daß nur Sie die künstlerischen Fähigkeiten besitzen, aus realen Geschehnissen mehr als nur Wochenschauaufnahmen zu machen, nicht aber die Beamten der Filmabteilung des Propagandaministeriums.» Mit gesenktem Blick stand ich vor Hitler, der immer intensiver auf mich einredete: «In drei Tagen beginnt der Parteitag. Natürlich können Sie nun nicht mehr einen großen Film machen, vielleicht im nächsten Jahr, aber Sie können nach Nürnberg fahren, um Erfahrungen zu sammeln und versuchen zu filmen, was noch ohne Vorbereitungen möglich ist.» Er machte einige Schritte und fuhr fort: «Wahrscheinlich wurde dem Doktor mein Wunsch nie ausgerichtet, ich werde ihn persönlich bitten, daß er Sie unterstützt.»
Mein Gott, dachte ich, wenn Hitler wüßte, wie unmöglich eine Zusammenarbeit zwischen
Weitere Kostenlose Bücher