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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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mich zu sprechen. Ich war auf das Schlimmste gefaßt. Mit einem Taxi raste ich zum «Promi». Als ich das große Arbeitszimmer des Ministers betrat, kam mir Goebbels entgegen, das Gesicht wutverzerrt. Er schrie mich an: «Wenn Sie nicht eine Frau wären, würde ich Sie jetzt die Treppe hinunterschmeißen. Wie können Sie sich unterstehen, meine Leute bei Hitler anzuschwärzen. Ich bin der Chef, Sie haben zu mir zu kommen.»
      Am ganzen Körper zitternd, versuchte ich mich zu verteidigen: «Der Führer hat mich doch aufgefordert, ihm über meine Arbeit in Nürnberg zu berichten, und Sie, Herr Minister, waren doch dabei.»
      Goebbels rasend: «Sie sind eine gefährliche Person, Sie hinterbringen dem Führer alles. Gehen Sie! Ich kann Sie nicht mehr sehen!» Jede Einzelheit dieser Begegnung ist mir in Erinnerung, auch das Datum. Es war der 13. Oktober 1933, der Tag, an dem Dr. Goebbels nach Genf fuhr, um auf der Abrüstungskonferenz den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund zu verkünden.
      Einige Tage nach diesem Auftritt besuchte mich ein Herr Quaas, ein Mitarbeiter der Filmabteilung des «Promi». Er sei, sagte er, beauftragt worden, mir bei der Fertigstellung des Parteitagfilms behilflich zu sein. Auch bat er um eine Zusammenstellung meiner bisherigen Ausgaben, die mir zurückerstattet werden sollten, und informierte mich, daß alle weiteren Unkosten die Partei übernehmen würde. Damit konnte ich mich diesem Auftrag nicht mehr entziehen.
      In der Kopieranstalt Tesch wurde mir ein Arbeitsraum zur Verfügung gestellt, aber das Zimmer war so primitiv und klein, daß nicht einmal der Schneidetisch darin Platz hatte, er mußte in einen stillgelegten Lastenfahrstuhl, in dem man die Türen abmontiert hatte, gestellt werden. Zum Glück erhielt ich eine sympathische und tüchtige Negativabzieherin zur Hilfe, Erna Peters, die für Jahrzehnte meine unentbehrlichste Mitarbeiterin wurde, die mir auch nach dem Krieg die Treue hielt und mit der mich heute noch Freundschaft verbindet.
      Lustlos begann ich das Filmmaterial zu sortieren und bemühte mich, irgend etwas Brauchbares zusammenzuschneiden. Da der Film weder eine Handlung noch ein Manuskript hatte, konnte ich nur versuchen, die Bilder aneinanderzureihen, daß eine optische Abwechslung und ein gewisser Bildrhythmus entstand. Der mir sooft gemachte Vorwurf, ich hätte Propagandafilme gemacht, ist abwegig. Es war ein Dokumentarfilm, was einen großen Unterschied macht: Niemand, auch nicht die Partei, hatte mir irgendeine Anweisung, wie ich den Film machen sollte, gegeben. Auch wurden die Aufnahmen nicht für die Kamera gestellt. Das mir zur Verfügung stehende Filmmaterial wir hatten nur 12 000 Meter zur Verfügung - bestand aus Dokumentar-Aufnahmen, die nur während des Parteitags an Ort und Stelle gemacht wurden. An Propaganda habe ich während meiner Arbeit nicht einen Augenblick gedacht.
      Während ich in der Kopieranstalt an dem Film arbeitete, kam ein dringender Anruf von Rudolf Diels, Chef der Geheimen Staatspolizei. Er wollte mich sprechen. Was hatte das zu bedeuten - was wollte die Gestapo von mir?
      Es war spät, als ich Herrn Diels empfing. Ich saß bis in die Nacht am Schneidetisch.
      «Es tut mir leid, daß ich Sie zu so später Stunde aufsuche», sagte er, «aber es ist so dringend, daß ich keine Zeit versäumen wollte.»
      «Was habe ich denn getan?» fragte ich beklommen.
      «Sie brauchen keine Angst zu haben, es geht nur um Ihre Sicherheit. Ich habe den Auftrag erhalten, Sie ab sofort unter, meinen Schutz zu stellen.»
      «Wer hat Sie beauftragt?»
      «Mein Chef», sagte er, «Reichsminister Göring.»
      «Das kann doch nur ein Scherz sein, weshalb soll ich beschützt werden?»
      «Darüber kann ich Ihnen nichts sagen. Sie dürfen Vertrauen zu mir haben.»
      «Ich kenne Sie nicht und weiß nicht, ob das stimmt, was Sie mir da sagen. Vielleicht wollen Sie mich nur aushorchen - verzeihen Sie», sagte ich etwas höflicher werdend, «aber ich habe in letzter Zeit so unglaubliche Dinge erlebt, daß ich ganz durcheinander bin und, was ich niemals war, mißtrauisch wurde.»
      Während ich Diels etwas zu trinken anbot, fiel mir ein, was Ernst Udet mir erst vor wenigen Tagen erzählt hatte: «Du mußt dich vorsehen», sagte er, «du hast Feinde, die sogar nach deinem Leben trachten.»
      «Warum nur?» hatte ich ihn erschrocken gefragt, und Udet sagte: «Hitler schätzt dich zu sehr, man fürchtet, daß du

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