Memoiren 1902 - 1945
ließ uns allein.
«Ich bin kein Frauenfeind», sagte Hitler, «ich habe schöne Frauen sehr gern um mich, aber ich vertrage es nicht, wenn man mir etwas aufzwingen will.»
Hitler erzählte von seiner Jugend, von seiner großen Liebe zu seiner Mutter, von Wien, von seiner Enttäuschung, daß er als Maler versagt habe, von seinen politischen Plänen, wie er Deutschland wieder gesund und unabhängig machen wollte, und er sprach auch von den Schwierigkeiten, seine Ideen zu verwirklichen. Mit keinem Wort berührte er das jüdische Problem. Ich kam mir feige vor, aber ich wußte, er würde es unter keinen Umständen zu einem Dialog kommen lassen, er wäre sofort aufgestanden und hätte sich verabschiedet.
Auch dieses Mal war Hitlers Reden ein einziger Monolog. Nicht eine Frage richtete er an mich, und er gab mir auch keine Gelegenheit, ihn durch eine Frage zu unterbrechen. Ohne Pause kamen die Worte aus seinem Mund. Aber, das spürte ich, es war ihm angenehm, daß jemand zuhörte.
Es war schon spät, als er aufstand, meine Hände ergriff und sagte: «Sie werden müde sein, ich danke Ihnen sehr, daß Sie gekommen sind.»
Er rief Kannenberg, der mich hinunterführte.
Begegnung mit Max Reinhardt
N achdem ich meine Arbeiten in Berlin abgeschlossen hatte, fuhr ich für längere Zeit nach Davos. Im Haus Weber, gegenüber der Parsennbahn, hatte ich mir eine kleine Wohnung gemietet. Hier hoffte ich, Ruhe vor den Intrigen in Berlin zu finden und mich nicht mehr von der Gestapo «beschützen» lassen zu müssen. Ich war nicht allein Walter Prager war bei mir. Es war keine stürmische Liebe zwischen uns, eher eine zärtliche Verbindung. Ich mochte sein zurückhaltendes Wesen und seine Sensibilität. Walter war nicht nur ein Sportsmann, sondern nahm auch an geistigen Dingen Anteil. Und außerdem verband uns die gemeinsame Freude am Skisport.
Oft begleitete ich ihn bei seinen Rennen, freute mich über seine Siege und tröstete ihn bei seinen Niederlagen. Auch ich beteiligte mich an einigen Abfahrtsläufen und konnte Preise erringen. Ermutigt durch meine Erfolge, besonders über mein gutes Abschneiden im Kandaharrennen - ich gewann den dritten Platz in der Kombination -, beteiligte ich mich auch an verschiedenen Rennen in den italienischen Alpen. Toni Seelos, der Trainer der deutschen Damen-OlympiaMannschaft, testete mich bei einigen Slalomläufen und stellte mich danach für die deutsche Olympia-Mannschaft auf. Das sollte im kommenden Jahr noch großen Ärger geben.
Es kam die Frühlingssonne, die Zeit der herrlichen Abfahrten im Firnschnee. Hänge, die im Winter zu steil sind, konnte man jetzt nur so hinuntertanzen. Trotz der Begeisterung für das Skilaufen waren meine künstlerischen Wünsche und Pläne aber nicht erloschen. Nachdem meine Wunschrolle, die «Mademoiselle Docteur», mir nicht vergönnt war, beschäftigte mich eine andere Traumrolle: «Penthesilea», die letzte Amazonenkönigin, nach der Tragödie von Heinrich von Kleist.
Mein Wunschtraum, diese Rolle zu spielen, war auf seltsame Weise entstanden. Als ich 1925 zu meinen ersten Filmaufnahmen in die Berge reiste, wurde ich im Speisewagen von einem Herrn, der mit einer Dame am Nebentisch saß, auffällig beobachtet. Als ich aufstand und den Wagen verlassen wollte, vertrat mir der Unbekannte den Weg. Er sah mich strahlend an, breitete die Arme aus und sagte: «Penthesilea - endlich habe ich meine Penthesilea gefunden.»
«Das ist ein Verrückter», dachte ich.
Als er meine Verwirrung sah, lächelte er: «Kennen Sie mich nicht? Sie haben doch in meinem Theater getanzt - ich bin Max Reinhardt, und das ist Helene Thiemig, meine Frau.»
Vor Scham wäre ich fast in den Boden versunken, ich hatte Reinhardt persönlich nie kennengelernt, obgleich ich ihm meinen frühen Ruhm als Tänzerin zu verdanken hatte. Ich sagte schon, daß mein damaliges Auftreten an seinem «Deutschen Theater» eine Sensation war. Glücklich vor Freude über die Begegnung, saß ich nun mit dem großen Regisseur beisammen, und er schwärmte: «Sie sind es, die vollkommene Penthesilea, die ich seit Jahren suche.»
Als ich ihm gestand, daß ich dieses Stück von Kleist noch nicht kenne, sagte er, ich würde fasziniert sein, wenn ich es lese. Dann erzählte er mir den Inhalt; es sei das schwierigste, aber hinreißendste Theaterstück. Wir saßen noch lange zu dritt zusammen, bis ich in Innsbruck aussteigen mußte. Beim Abschied mußte ich
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