Memoiren 1902 - 1945
Reinhardt versprechen, ihn nach Beendigung meiner Filmaufnahmen in Berlin zu besuchen.
Als ich dann in Lenzerheide ankam, wo die ersten Aufnahmen vom «Heiligen Berg» gedreht wurden, und ich Dr. Fanck von diesem Zusammentreffen erzählte, sagte er, Reinhardt habe recht, es gebe keine Rolle, die mir mehr auf den Leib geschrieben wäre als die «Penthesilea».
Die Lektüre dieses Stücks wurde zu meinem größten Erlebnis. Nicht nur die Rolle, sondern die Dichtung überhaupt begeisterte mich. Verstärkt wurde dies noch, als mich ein Jahr später der russische Theaterregisseur Tairow im Salon von Betty Stern zum ersten Mal sah. Genau wie Max Reinhardt brach er in den Ruf aus: «Penthesilea».
Er war so begeistert, daß er Dr. Fanck aufsuchte und ihn dazu brachte, mit ihm zusammen ein Filmmanuskript zu schreiben. Leider wurde wegen der zu hohen Kosten nichts daraus. Es wäre auch schade gewesen, denn noch herrschte der Stummfilm, und die Verse von Kleist wären nur als Titel erschienen.
Für mich blieb «Penthesilea» ein Traum.
«Tiefland»
I n den letzten Tagen, die ich noch in Davos verbrachte, rief die «Terra-Film» aus Berlin an und bot mir Regie und Hauptrolle für einen Film «Tiefland» an. Die Sache interessierte mich, und ich fuhr nach Berlin. Die Oper «Tiefland» von Eugen d’Albert geht auf ein altes spanisches Volksstück von Angel Guimera zurück. Der Inhalt ist einfach. Die Handlung spielt in Spanien, in der Zeit Goyas. Die Bergwelt mit dem Hirten Pedro verkörpert das Gute, das Tiefland mit Don Sebastian das Böse. Zwischen diesen Männern geht der Kampf um Martha.
Das Werk d’Alberts gehört zum Repertoire aller Opernhäuser der Welt, und Pedros Arie: «An der offenen Kirchentür wartet schon die Braut» zu den beliebtesten Ohrwürmern der Opernfreunde.
Die Verhandlungen mit der «Terra» gingen zügig voran. Man räumte mir weitgehendes künstlerisches und organisatorisches Mitspracherecht ein, so daß wir uns für eine Co-Produktion entschieden. Für die Rolle des Don Sebastian wurde Heinrich George, für den Pedro Sepp Rist verpflichtet. Als Mitregisseur für meine Spielszenen engagierten wir den Schauspieler Hans Abel. Die Außenaufnahmen sollten in Spanien gedreht werden.
Nicht zuletzt habe ich mich für dieses Vorhaben so schnell entschlossen, weil ich mich einem neuen Auftrag Hitlers entziehen wollte. Ich hatte nicht das geringste Interesse an einem zweiten Parteitagfilm. Falls aber Hitler, was zu befürchten war, darauf bestehen würde, wollte ich versuchen, einen guten Ersatzregisseur zu finden, in der Hoffnung, Hitler umstimmen zu können. Am besten könnte das ohne Zweifel Walter Ruttmann machen - allerdings ein ziemlich kühner Gedanke. Seit seiner Affäre mit Frau Remarque hatte ich ihn nicht mehr gesehen, auch sonst war es fraglich, von ihm als einem überzeugten Kommunisten eine Zusage zu bekommen. Um so überraschter war ich, daß er meinen Vorschlag begeistert aufgriff.
Da ich mit der Partei nie zusammenarbeiten würde, käme für das Projekt nur private Finanzierung in Frage. Schneller als gedacht, hatte ich damit Erfolg. Die UFA, die damals noch nicht dem «Promi» unterstand, war von dem Projekt angetan. Nach einer Unterredung mit dem Generaldirektor Ludwig Klitzsch erhielt meine Firma, die «L. R. Studio-Film GmbH», die ich wegen dieser Produktion in «Reichsparteitagfilm GmbH,» umbenannte, einen Verleihvertrag in Höhe von
300 000 RM. Damit konnte ich als unabhängige Produzentin arbeiten und Walter Ruttmann engagieren. Ich wußte, daß er einen überdurchschnittlich guten Film machen würde, und hoffte, daß Hitler so ausgesöhnt werden könnte.
Ich stellte mir den Film nur aus Dokumentar-Aufnahmen vor. Ruttmann hatte aber eine ganz andere Auffassung. Er sagte, es wäre unmöglich, nur aus Reden und Aufmärschen einen abendfüllenden interessanten Film zu machen. Er sah die Aufnahmen vom Parteitag nur als letztes Drittel des Films, während der Hauptteil den Aufstieg der NSDAP zeigen sollte, das heißt, wie aus sieben Mann in wenigen Jahren eine so große Partei wie die NSDAP entstand. Ich war davon nicht überzeugt, aber Ruttmann versicherte, er könnte diesen Teil aus Wochenschauaufnahmen, Zeitungen, Plakaten und Dokumenten eindrucksvoll zusammenstellen - im Stil der Russenfilme.
Mein Respekt vor Ruttmanns Können war so groß, daß Zweifel verdrängt wurden. Wir vereinbarten, daß er mit Sepp Allgeier, während ich in
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