Memoiren 1902 - 1945
direkten Zugang
zu ihm haben könntest, und das will man verhindern.»
«Und wer soll das sein?»
Udet: «Man munkelt, daß sie aus SA-Kreisen kommen.» Da fiel mir die Szene mit Heß ein, der gesagt hatte, ein SA-Mann war es, der mich so beschuldigt hatte. Angst stieg in mir auf.
«Wie können Sie mich überhaupt schützen?» fragte ich Diels.
«Sie werden, ohne daß Sie es merken oder belästigt werden, Tag und Nacht bewacht, solange, bis wir genau wissen, welche Personen es sind, die Ihnen Schaden zufügen wollen.»
«Warum verfolgt man mich?» fragte ich immer noch ungläubig, und da sagte mir Diels fast dasselbe, was Udet gesagt hatte: «Weil der Führer, der Sie als Künstlerin hoch schätzt, was viele der Parteigenossen nicht begreifen können, Sie beauftragt hat, einen Film über den Reichsparteitag zu machen. Das hat unter den Parteileuten, die jahrelang auf solche Aufgaben gewartet hatten, böses Blut gegeben und wie eine Provokation gewirkt.»
«Aber jeder weiß doch», erwiderte ich, «daß ich diesen Film nicht machen wollte und auch in Zukunft nicht machen will.»
Diels: «Darauf kommt es nicht an, es ist die Tatsache, daß Hitler Sie bewundert, und das erregt großen Neid und Mißgunst, besonders bei den Frauen der Parteifunktionäre. Es sind Gerüchte im Umlauf, daß Sie die Mätresse von Hitler sind und deshalb gefährlich werden könnten. Man versucht alles, um Sie bei Hitler unbeliebt zu machen. So wurde ihm zum Beispiel vor wenigen Tagen ein Dokument vorgelegt, das als vertrauliches Schriftstück durch diverse Stellen des Propagandaministeriums lief, in dem behauptet wird, daß Ihre Mutter Jüdin sei. Dieses Dokument hat man Hitler vorgelegt er soll es vom Tisch gefegt haben.»
Ich war zutiefst betroffen. Es war nicht schwer für mich, mir vorzustellen, wem ich solche Machenschaften zu verdanken hatte.
Während Diels langsam ein Glas Wein trank, betrachtete ich ihn. Er war ein auffallend gutaussehender, noch junger Mann, der eine Hauptrolle in einem amerikanischen Western spielen könnte. Groß, schlank, das schmale, kantige Gesicht war durch Schmisse gezeichnet, die Haare und Augen dunkel, ein Typ, der Anklang bei vielen Frauen finden würde.
Um mich abzulenken, wechselte Diels das Thema. Er erzählte von seiner Arbeit an dem Reichstagsbrand-Prozeß, der in dieser Zeit stattfand. Er hatte weltweit Aufsehen erregt, und über seine Ursachen gab es die abenteuerlichsten Versionen. Die Zeitungen berichteten täglich in großer Aufmachung darüber. Erst heute scheint das Rätsel gelöst zu sein, aber dennoch stimmen nicht alle Historiker der
Tobias-These zu, die schon Diels damals vertrat.
Während damals die deutsche Presse die Kommunisten beschuldigte, dieses Verbrechen begangen zu haben, behauptete die Auslandspresse mehr oder weniger einhellig, Nationalsozialisten hätten diesen Brand selbst gelegt. Kaum irgendwo aber konnte man lesen, was mir an diesem Abend Herr Diels, der Chef der Geheimen Staatspolizei, erzählte, der damals mit dem Hauptangeklagten, van der Lubbe, viele Verhöre geführt hatte.
«Merkwürdig», sagte Diels, «daß kaum einer glauben will, daß van der Lubbe den Brand allein gelegt hat, ohne kommunistische Hintermänner. Dieser Mann ist ein Fanatiker - ein Besessener. Es ist verständlich, daß es für die Nationalsozialisten keine bessere Propaganda geben kann, als die Tatsache, daß dieser Brand eine von den Kommunisten vorbereitete Tat war und van der Lubbe ihr Werkzeug gewesen ist, nicht aber, daß das Feuer von einem Irren allein gelegt wurde.»
«Sie glauben also wirklich, daß van der Lubbe allein den Brand gelegt hat?»
«Ich weiß es», sagte er. Damals konnte ich nicht einschätzen, ob Diels ein Mann von Scharfsinn oder eitler Voreingenommenheit war.
Am liebsten wäre ich nach diesem Abend in die Berge geflüchtet. Aber ich mußte leider noch den Parteitagfilm fertigstellen, eine mehr als undankbare Arbeit. Schließlich gelang es mir doch. Der Film hatte eine Laufzeit von etwas mehr als einer Stunde. Auf Verlangen der Partei erhielt er den Titel «Sieg des Glaubens», das war der offizielle Name des 5. Parteitages in der Geschichte der NSDAP.
Von der Filmabteilung des «Promi», welche die Produzentin war, erhielt ich für meine Arbeit ein Honorar von 20 000 RM. Die gesamten Herstellungskosten, inklusive Musik, Synchronisation und meine Gage, beliefen sich auf nur 60 000 DM. Dies erwähne
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