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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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waren. Er arbeitete vor allem im Olympischen Dorf, beim Segeln und beim Marathonlauf, wo ihm einzigartige Aufnahmen gelangen.
      Guzzi Lantschner war die große Überraschung. Er hatte, außer von den wenigen Tagen, als er sich in Nürnberg bei dem Wehrmachtsfilm erstmalig an der Kamera versuchte, noch keinerlei Erfahrung, aber seine Begabung war mir aufgefallen. Er übertraf alle meine in ihn gesetzten Erwartungen. Seine Aufnahmen, vor allem die der Reiter und Turner, machten ihn Ertl und Frentz ebenbürtig. Zu meinem Stab gehörten auch viele junge Kameraleute, wie Heinz von Javorsky, unser «Landstreicher vom Montblanc», und Leo de Laforque, der sich auf die kleine, nur fünf Filmmeter enthaltende Kinamo-Kamera spe zialisiert hatte und damit unbeobachtete Aufnahmen aus dem Publikum machen konnte. Im Gegensatz zu ihm arbeitete Hans Scheib mit einer 600 mm Brennweite, dem damals größten Teleobjektiv. Damit filmte er vor allem die vor dem Start konzentrierten Gesichter der Athleten. Otto Lantschner, ein Bruder Guzzis, hatte den Auftrag, einen Werkfilm über unsere Arbeit zu machen, der, von Rudi Schaad zusammengestellt, auf der Weltausstellung 1937 in Paris eine Goldmedaille erhielt.
      Noch viele andere verdienten genannt zu werden. Alle diese Männer empfanden sich nicht als Stars, sie waren von der Aufgabe begeistert und setzten ihre Kreativität ein, um das oftmals Unmögliche möglich zu machen. Sie brüteten über raffinierten Lärmschutz-Hauben für die Kameras, damit das Surren der Laufwerke die Athleten nicht störte. Sie entwarfen Fahrbahnen, Gleitschienen - Systeme für die optische Verfolgung der Wettkämpfe. Sie dachten an Freiballons, Fesselballons, Flugzeuge, Motorboote, alles, um Olympia so nah, so dramatisch aufnehmen zu können, wie Sport noch nie zuvor festgehalten wurde. Neben den namentlich Genannten hatte ich noch rund zwei Dutzend anderer engagiert. Das hört sich imponierend an doch die meisten waren Amateure und Assistenten. Ich benötigte sie, um genügend Schnappschüsse von den Reaktionen des Publikums zu bekommen; einige arbeiteten nur mit Schmalfilmkameras.
      Ab Mai begannen wir mit Probeaufnahmen bei den verschiedensten Sportveranstaltungen. Die Kameraleute mußten üben, manchmal ohne Film in den Kameras, um die schnellen Bewegungen der Sportler einfangen zu können. Ohne dieses Training wären die späteren Aufnahmen nicht gelungen. Außerdem wollten wir ausprobieren, mit welchem Filmmaterial die beste Bildqualität zu erzielen war. Zu diesem Zweck machten wir ein ungewöhnliches Experiment. In Frage kamen Kodak, AGFA und das damals noch fast unbekannte PerutzMaterial, wohlgemerkt schwarz-weiß. 1936 gab es noch keinen guten Farbfilm. Wir wählten drei verschiedene Motive: Gesichter und Personen, Architektur und Landschaften mit viel Grün. Das Resultat war verblüffend. Die Porträtaufnahmen wirkten mit Kodak am besten, weil es die meisten Zwischentöne aufwies, Bauten und Architektur kamen auf AGFA am plastischsten heraus, und die große Überraschung war das Perutzmaterial, das bei Aufnahmen mit viel Grün im Motiv eine auffallende Leuchtkraft besaß. Also entschlossen wir uns, mit allen drei Materialien zu drehen, jeder Kameramann konnte das Material wählen, das er am geeignetsten für seine Motive hielt.
      Die Mannschaft war ständig auf Achse. Am Wochenende unternahmen wir Ausflüge mit Zelt und Kamera, saßen am Ufer der Ha vel zusammen und diskutierten über unsere Arbeit. Wir versuchten, für jedes Problem eine Lösung zu finden. Die Kameras waren bei weitem nicht so leistungsfähig und beweglich, wie sie es heute sind. Es gab noch keine Arriflexkameras, die Dr. Arnold, wie er später erzählte, erst auf Grund seiner Beobachtungen unserer damaligen Filmarbeit entwickelte und baute.
      Einmal fuhr ich mit einigen meiner Mitarbeiter für drei Tage nach Bad Harzburg, um mit ihnen in aller Abgeschiedenheit den Marathonlauf zu besprechen. Während der Autofahrt zerbrach ich mir den Kopf, wie man einen 42 Kilometer langen Lauf im Film dramatisieren konnte, und fand tatsächlich auf dieser Fahrt die Lösung. Ich versuchte mich in den Läufer hineinzuversetzen und seine Gefühle nachzuempfinden: Seine Müdigkeit und Erschöpfung, wie seine Füße am Boden kleben und er mit letzter Willenskraft versucht, das Stadion zu erreichen. Auch hörte ich die peitschende Musik, die den müden Körper antreibt und ihn dazu bringt, nicht aufzugeben, ehe sie in die Jubelschreie der

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