Memoiren 1902 - 1945
deutsch, arbeitete als Zeichner in einem Flugzeugwerk und meldete sich bei Kriegsausbruch freiwillig bei der Luftwaffe. Er war untröstlich, daß er als Ausländer nicht angenommen wurde. Aber sein unnachgiebiger Wunsch ging bei der Marine in Erfüllung. Anatol kam zu den gefährlichen Einmann-UBooten.
Er hatte Glück und überlebte den Krieg.
Schloß Ruhwald
N ach meiner Rückkehr aus Griechenland quartierten wir uns alle in Schloß Ruhwald ein, einem alten, unbewohnten Gebäude in einem Park an der Spandauer Chaussee, in der Nähe des Stadions. Die Zimmer wurden notdürftig mit Feldbetten und Obstkisten möbliert. Büros, Reparaturwerkstätten, Materiallager, eine Kantine wurden eingerichtet. Wir brauchten Schlafsäcke und Platz für den Wagenpark. Unser Arbeitsplatz für die nächsten Wochen glich einem spartanischen Hauptquartier. Bis zu 300 Personen waren hier beschäftigt, von denen die Hälfte dort auch wohnte. Von hier aus fuhren die Filmtrupps Tag für Tag auf das Olympische Gelände. Zwischen Ruhwald, Stadion und den Kopierwerken Geyer wurde ein pausenloser Pendelverkehr eingerichtet, um das belichtete Filmmaterial noch am selben Tag zu prüfen, die Arbeitsweise der Kameraleute zu diskutieren und aus etwaigen Mängeln des Materials Schlüsse ziehen zu können.
Herr über diesen großen Arbeitsstab war wieder Arthur Kiekebusch. Als ein glänzender Organisator meisterte er auch kritische Situationen. Er beschäftigte mindestens zehn Assistenten, die an den oft weit auseinanderliegenden Kampfstätten alles für die Kameraleute vorbereiteten. Neben dem Olympia- und Schwimmstadion galt unsere Aufmerksamkeit dem Maifeld, dem Olympischen Dorf, dann Döberitz mit dem Gelände für die «Military», Grünau, dem Austragungsort der Ruderregatten, und an der Ostsee Kiel, wo die Segelwettfahrten stattfanden.
Vor der Arbeit der Aufnahmeleiter habe ich höchsten Respekt. Was diese Männer leisten, ist bewundernswert und übertrifft manchmal die Arbeit der Regisseure. Sie sind rücksichtslos gegen sich selbst, und manche müssen den Streß ihres Berufs mit einer verkürzten Lebensdauer bezahlen. Viele von ihnen werden nicht alt.
Ehe die Aufnahmen begannen, engagierte ich noch Ernst Jäger, den früheren Chefredakteur des «Film-Kurier», als Pressechef, obgleich ich wußte, daß dies mit Goebbels Ärger geben würde. Jäger war überzeugter Sozialdemokrat und auch wegen seiner Ehe mit einer jüdischen Frau aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen worden. Schon vor einem Jahr, als er sich in finanzieller Not befand, konnte ich ihm helfen; meine Firma beauftragte ihn, für die Werbeabteilung der UFA eine Broschüre über die Arbeit am «Triumph des Willens» zu schreiben, die er «Hinter den Kulissen des Reichsparteitag-Films» nannte. Diese von mir gutgemeinte Hilfe hat mir nach
dem Krieg viele Angriffe eingebracht. Jäger, im übrigen ein ausgezeichneter Journalist, hatte einen unerträglich schwülstigen Text geschrieben, vielleicht in der Hoffnung auf eine Chance, so wieder in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen zu werden. Mein Pech war, daß ich die Broschüre bei der vielen Arbeit, die ich hatte, vor Erscheinen nicht gelesen habe. Jäger hatte sie mit der Werbeabteilung der UFA zusammengestellt, die dieses Heft unter meinem Namen herausbrachte.
In Ruhwald hatten wir ein Modell des ganzen Reichssportfeldes aufgestellt, an dem ich gute Kamerastandpunkte übersichtlich festlegen konnte. Veranstaltungen außerhalb des Geländes der Olympischen Spiele, wie die Tanzfestspiele auf der Dietrich Eckart-Bühne oder Veranstaltungen im Lustgarten, konnte ich in meinen Film nicht einbeziehen. Wir waren nur auf die Olympischen Veranstaltungen fixiert. Es lief alles auf vollen Touren. Von dieser Zeit an hatten wir nur noch wenige Stunden Schlaf gefunden.
In Berlin war inzwischen das Olympiafieber ausgebrochen. Die Stadt war mit Tausenden von Fahnen geschmückt, und Hunderttausende von Besuchern strömten durch die Stadt. Mehr als achtzig Theater spielten, die Nachtclubs waren brechend voll, und in den Kinos liefen Filme wie «Traumulus» mit Emil Jannings, «Moderne Zeiten» von Charlie Chaplin und die unvergeßliche «Broadway Melodie».
Was sich aber hinter diesem Trubel und Glanz an menschlichen Tragödien abspielte, ahnte ich damals noch nicht.
Olympia - Berlin 1936
A m 1. August 1936 war der große Augenblick gekommen, der Beginn der Olympischen Spiele in Berlin. Um sechs Uhr
Weitere Kostenlose Bücher