Memoiren 1902 - 1945
bewegen, die Schrift zu deuten. Offensichtlich tat er es nur ungern. «Es handelt sich», sagte er zögernd, «um einen Menschen, der nicht ungefährlich ist - unbeherrscht, rücksichtslos, brutal und sogar mit sadistischen Anlagen ...» Ich konnte das nicht glauben, aber der Schreck saß tief.
Ich habe lange mit mir gekämpft. Auf Grund meiner schmerzlichen Erfahrungen entschloß ich mich, so schwer es mir auch fiel, diese Beziehung abzubrechen. Vor allem aus Furcht, noch einmal solche Enttäuschungen zu erleben wie in der Vergangenheit. Es dauerte ein halbes Jahr, bis ich mich aus dieser Bindung lösen konnte. Erst viel später erfuhr ich aus amerikanischen Zeitungen etwas über das traurige Schicksal von Glenn Morris. Er sei auf die schiefe Bahn geraten. Von seiner Frau geschieden, soll er an Alkohol und Drogen zugrunde gegangen sein.
Probleme und Sorgen
A nfang September 1936 gab Ministerialrat Berndt im Auftrag des Ministers auf der täglichen Pressekonferenz im Propagandaministerium offiziell bekannt, daß bis auf weiteres über meinen Olympiafilm und meine Person in der Presse nicht berichtet werden dürfe. Dieses Verbot wurde über ein Jahr eingehalten und erst wenige Wochen vor der Uraufführung aufgehoben, mit zwei Ausnahmen: Einmal dementierte das «Promi» ausländische Pressemeldungen, in denen Dr. Goebbels in Verbindung mit mir beleidigt wurde, und ebenso konnte man nicht verschweigen, daß ich im Frühsommer 1937 auf der Weltausstellung in Paris drei Goldmedaillen erhalten hatte.
Es folgten weitere Schikanen aller Art von Seiten Goebbels’. Bei einer Überprüfung der Buchhaltung und Kassenunterlagen meiner Firma durch die Filmkreditbank wurde festgestellt, unsere Kasse weise ein Defizit von 80 Mark auf. Darauf verlangte Goebbels, ich sollte wegen dieser geringen Summe meinen langjährigen, treuen Mitarbeiter Walter Großkopf, Vater von drei Kindern, entlassen. Diese unglaubliche Zumutung lehnte ich ab.
Ebenso mußte ich eine andere Forderung ablehnen. Goebbels ließ sie mir durch Herrn Hanke, seinen Sekretär, übermitteln. Der Olympiafilm dürfe nur aus einem Teil bestehen, und die «Schwarzen» sollten nicht zu oft gezeigt werden. Ich nahm es auf mich, auch diese Zumutung nicht zu beachten. Nur wenige Tage später teilte mir das «Promi» mit, ich hätte auf Anweisung des Ministers meinen Pressechef Ernst Jäger, wegen seiner Ehe mit einer «nicht arischen Frau», fristlos zu entlassen. Auch hier wagte ich es, seine Aufforderung zu ignorieren. Mir war klar, daß man meinen Widerstand nicht mehr lange hinnehmen werde.
Was ich befürchtet hatte, traf ein. Goebbels versuchte, mich endgültig auszuschalten und meinen Olympiafilm seinem Ministerium einzuverleiben. Am 6. November verfügte er, daß das Propagandaministerium über das bisher die Refinanzierung des Tobis- Vertrags erfolgte, keine Gelder mehr an meine Firma auszahlen dürfe. Das bedeutete das Ende meiner Arbeit: Wir hatten die Garantie der «Tobis» in Höhe von 1,5 Millionen verbraucht. Kostenüberschreitungen waren nicht mehr durch den Verleihvertrag gedeckt. Wir brauchten ein Darlehen von einer halben Million Mark für die vorgesehenen vier fremdsprachigen Versionen und eine Serie von Sportkurzfilmen. Unser Budget war überzogen, unsere Kasse war leer. Deshalb hatte ich beim «Promi» den Antrag auf Gewährung eines Darlehens gestellt. Die Situation war so kritisch, daß ich kaum noch schlafen konnte und ernsthaft erwog, den Film abzugeben und ins Ausland zu gehen.
Um ihn dennoch zu retten, sah ich nur noch eine Chance: Mit Hitler zu sprechen. Aber ich bekam keinen Termin. Hitler hatte keine Zeit, er war immer unterwegs. Vergeblich versuchte ich es von Woche zu Woche. Endlich, am 11. November, bekam ich einen Termin, zufällig an Frau Goebbels’ Geburtstag. Um 17 Uhr sollte ich in der Reichskanzlei sein.
Hitler begrüßte mich freundlich wie immer und erkundigte sich nach meiner Arbeit. Ich war mit den Nerven so fertig, daß ich unbeherrscht zu weinen anfing und schluchzend sagte, ich kann hier nicht mehr arbeiten und mußte unter diesen Umständen Deutschland verlassen.
Hitler verblüfft: «Wieso denn das?»
Verzweifelt rief ich: «Dr. Goebbels haßt mich!»
Nun wurde Hitler ärgerlich: «Was reden Sie für einen Unsinn? War
um sollte Dr. Goebbels Sie hassen?»
Es widerstrebte mir, die Eskapaden zu erwähnen, die Goebbels sich mir gegenüber erlaubt hatte. Ich berichtete nur von
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