Memoiren 1902 - 1945
den Schikanen, die meine Arbeit betrafen.
Hitler: «Sie sind überarbeitet - Sie sind etwas hysterisch. Das ist doch alles nicht möglich. Warum sollte Dr. Goebbels etwas gegen Sie unternehmen wollen?»
Es verwirrte mich, wie sehr Hitler ihn verteidigte und mir keinen Glauben schenken wollte. Da half nur noch eins: Ihm das polizeiliche Protokoll zu zeigen, was ich nur im äußersten Notfall tun wollte - und der war nun gekommen. Es handelte sich um die Vorgänge in Nürnberg, als Hans Weidemann, der in der Filmabteilung des «Promi» eine leitende Stellung einnahm, meine Kameraleute verhaften ließ, weil sie sich weigerten, für ihn zu arbeiten. Wir hatten bei den Leichtathletik-Meisterschaften wichtige Nahaufnahmen von Hein und Blask, den Siegern im Hammerwerfen, zu machen, da bei den Olympischen Wettkämpfen der Schiedsrichter den Kameramann daran gehindert hatte. Weidemann, der den Parteitagfilm 1936 machen sollte, wollte den «Triumph des Willens» übertreffen und hatte deshalb meine Kameraleute annektieren wollen. Als sich Hans Ertl und die anderen weigerten, ließ er sie durch SS-Leute verhaften.
Bis zu diesem Augenblick war Hitler für Goebbels eingetreten. Nun las er das Polizeiprotokoll und wurde ganz ruhig.
Ich beobachtete in seinem Gesicht jene Blässe, die auf innere Erregung schließen ließ.
«Gut», sagte Hitler kurz, «ich werde mit Dr. Goebbels sprechen. Mehr kann ich Ihnen jetzt nicht sagen. Gehen Sie nach Hause. Sie werden eine Nachricht bekommen.»
Fast brüsk verabschiedete er sich, nachdem sein Adjutant Brückner ihn schon zweimal gemahnt hatte, zur Geburtstagsfeier von Frau Goebbels zu gehen. Verstört fuhr ich nach Hause - ich war wie gelähmt.
Nach einigen Tagen rief mich Brückner an und teilte mir im Auftrag Hitlers folgendes mit: «Sie werden von nun an nicht dem Minister Goebbels unterstellt sein, auch nicht dem Propagandaministerium, sondern Rudolf Heß und dem ‹Braunen Haus›. Dies ist», sagte Brückner «das Ergebnis einer Aussprache zwischen dem Führer und Dr. Goebbels, nachdem der Minister erklärt hatte, daß er mit Ihnen nicht mehr zusammenarbeiten könnte.»
Im ersten Augenblick erfaßte ich die Bedeutung dieser Mitteilung noch nicht. So erleichtert ich war, meine Arbeit fortsetzen zu können und nicht mehr Goebbels und seinem Ministerium unterstellt zu
sein, war ich doch noch immer über Komplikationen besorgt, die sich möglicherweise trotzdem in der Zukunft ergeben könnten.
Aber bald zeigte sich, daß diese Anordnung ein Segen war. Alle Schikanen und Einmischungen hörten auf. Nicht nur für mich war dies eine Befreiung, sondern ebenso für meine Mitarbeiter. Von nun an konnten wir ungestört arbeiten. Das Darlehen wurde bewilligt. Unsere Beziehungen zum «Promi» beschränkten sich auf Abrechnungen und Kontrollmaßnahmen bis zur völligen Abdeckung der gegebenen Kredite und der hierfür zu zahlenden Zinsen. Aber damit hatte ich selbst nichts zu tun, da mich Traut und Großkopf so gut abschirmten, daß ich mich jetzt ausschließlich der Arbeit an meinen Filmen widmen konnte.
Willy Zielke
W ährend wir das Material sichteten, auswählten und beschrifteten, erhielten wir eine Nachricht, die uns alle erschütterte. Willy Zielkes Mutter hatte uns in großer Verzweiflung mitgeteilt, ihr Sohn sei nach Haar, der Irrenanstalt von München, eingeliefert worden. Von Zielkes Frau erfuhren wir, daß ihr Mann in einem Anfall von Geistesgestörtheit den größten Teil seiner Fotoarbeiten vernichtet und Tisch und Stühle seiner Wohnung zertrümmert hatte. Auch habe er mit einem Gewehr geschossen und Feuer legen wollen.
Wir waren völlig konsterniert. Schon am nächsten Tag fuhr ich mit Waldi Traut nach München, um mit dem verantwortlichen Direktor der Anstalt zu sprechen. Daß Willy Zielke nicht mit normalen Maßstäben zu messen war, wußten wir. Sein Verhalten war oft sonderbar gewesen. Des öfteren hatte er mich mitten in der Nacht um drei oder vier Uhr angerufen, um mit mir über irgendeine Kameraeinstellung zu diskutieren, schließlich mußte ich Ausflüchte erfinden, um ihn nicht zu kränken. Er war extrem sensibel, aber ich kam immer glänzend mit ihm aus, und außerdem mochte ich ihn sehr. Jetzt fiel mir sein merkwürdiges Verhalten an der Kurischen Nehrung wieder ein, und auch, daß Frau Peters sich vor ihm fürchtete, weil Zielke, als sie ihn einmal besuchte, mit einer Luftdruckpistole auf Fliegen, die im Zimmer
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