Memoiren 1902 - 1945
flog ich in aller Früh von Graz nach Berlin. Ich sollte der Festsitzung der Reichskulturkammer im Deutschen Opernhaus beiwohnen. Hier wurde jedes Jahr der nationale Film- und Buchpreis vergeben. Es war naheliegend, daß der Olympia-Film den Preis erhalten würde, sicher aber war es nicht. Zu dieser Veranstaltung begleitete mich Hubert Stowitts, ein amerikanischer Maler, mit dem ich seit zwei Jahren befreundet war. Obgleich er noch lieber junge Männer als Mädchen um sich hatte, verstanden wir uns besonders gut. Bei einer Ausstellung seiner Bilder, die die amerikanische Botschaft während der Olympischen Spiele für ihn in Berlin eröffnet hatte, lernten wir uns kennen. Er malte von allen amerikanischen Athleten, die an den Spielen teilnahmen, überlebensgroße, realistische Bilder. Gemeinsame künstlerische Interessen verbanden uns. Hubert war nicht nur Maler, er war auch Tänzer und Choreograph. Fünf Jahre war er Partner der berühmten Anna Pawlowa gewesen und hatte auch die russischen Tänzer und Tänzerinnen gemalt. Während seiner Berliner Zeit arrangierte er für Lilian Harvey die Tanzszenen in ihren UFA-Filmen. Er war der einzige, der mich, außer meinen Mitarbeitern, in meinen Schneideräumen besuchen durfte.
Wie vorauszusehen, wurde mir für die Gestaltung des Olympiafilms der deutsche Filmpreis des Jahres 1938 verliehen. Es befremdete mich, daß mich niemand im Deutschen Opernhaus begrüßte und beglückwünschte. Was für ein Gegensatz zu der Berliner Premiere
und dem Jubel, den ich in Wien und Graz erlebt hatte! Auch wurde kein Platz für mich reserviert, und so saß ich unbemerkt mit Hubert irgendwo im ersten Rang. Die kühle Atmosphäre war bedrückend ich konnte sie mir nur dadurch erklären, daß Goebbels hier der Hausherr war und meine «Freunde» im «Promi» diese Veranstaltung organisierten. Aber in seiner Rede ließ Goebbels sich nichts anmerken. Dazu war er viel zu klug.
Mit überschwenglichen Worten würdigte er meine Arbeit. Ich glaube sogar, daß dies echt war. Der Film und ich waren für ihn zwei verschiedene Dinge. Ich mußte an die vielen peinlichen Szenen denken, die ich mit ihm erlebt hatte, und wunderte mich nicht über die Rolle, die er spielte. Er war ein Meister der Verstellung.
Unbeachtet verließen wir das Deutsche Opernhaus und fuhren in meine Dahlemer Villa, wo inzwischen schon viele Glückwunschtelegramme eingetroffen waren.
Bisher hatte ich keine Zeit gehabt, mich in meinem neuen Haus einzuleben. Daß es überhaupt bewohnbar war, verdankte ich Stowitts, der, während ich im Schneideraum arbeitete, Möbel, Bilder und Teppiche zur Auswahl in mein Haus bringen ließ, aus der ich erst nachts, wenn das Tagespensum im Schneideraum erledigt war, auswählen konnte. Nun hoffte ich, wenigstens mein Heim und meinen Garten genießen zu können, leider nur für kurze Zeit. Schon in wenigen Wochen mußte ich mit meinem Olympia-Film auf Tournee gehen.
Unerwarteter Besuch
K urz vor meinen Premieren-Reisen, es war Juni, erhielt ich einen unerwarteten Besuch Hitlers. Die Reichskanzlei hatte telefonisch gefragt, ob ich den Führer empfangen könnte. Das überraschte mich. Ich war gespannt, was ihn zu mir führte. Helene, meine Köchin, und Mariechen, mein Zimmermädchen, waren ganz aufgeregt. Sie stritten sich, wer den Tee servieren sollte. Um vier Uhr meldete Helene, ein schwarzer Mercedes sei vorgefahren. In der Halle begrüßte ich Hitler und seinen Begleiter, Albert Bormann, einen Bruder von Martin Bormann. Beide waren in Zivil, Hitler trug einen dunkelblauen Anzug. Bevor wir das Wohnzimmer betraten, bat Hitler seinen Begleiter, auf ihn zu warten. Mein Mädchen führte ihn in die im Souterrain liegende rustikale Bar. Inzwischen war Hitler mit mir in das große Zimmer gegangen, das zugleich mein Filmvorführraum war. Vorsorglich hatte ich Herrn Kubisch, meinen Vorführer, kommen lassen,
um Hitler eventuell einen Film zeigen zu können.
Hitler schien in glänzender Laune zu sein. Er bewunderte das Haus, den Garten und vor allem, was mich etwas überraschte, auch die Inneneinrichtung, da sie einen ganz anderen Stil als seine eigenen Räume hatte. Etwas befangen fragte ich: «Mögen Sie Kaffee oder Tee?»
«Ausnahmsweise Tee, aber schwach, wenn ich bitten darf, ich muß Rücksicht auf meinen Magen nehmen.»
Helene hatte im Garten unter der überdachten Pergola einen mit Blumen geschmückten Teetisch gerichtet und servierte stolz ihren Selbstgebackenen
Weitere Kostenlose Bücher