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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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«Normandie» groß angekündigt. Es sollten nicht, wie bei der Uraufführung in Berlin, beide Teile gezeigt werden, sondern immer nur ein Teil; der zweite sollte den ersten nach einigen Wochen ablösen. Bis auf wenige Ausnahmen wurde dies in allen Kinos, auch im Ausland, so gehandhabt.
      Mittags um zwölf hatte ich noch eine Unterredung im Büro des Verleihs. Ich war überzeugt, man würde in letzter Stunde alles versuchen, mir Zugeständnisse abzuringen. Als die zwei Direktoren mich zum letzten Mal beschworen, erklärte ich mich zu einem kleinen Kompromiß bereit. Ich war einverstanden, daß zwei Aufnahmen, herausgeschnitten würden: Eine, in der man Hitler mit dem italienischen Kronprinz Umberto bei der Eröffnungsfeier sieht, beide mit dem faschistischen Gruß die vorbeiziehende italienische Mannschaft grüßend, die andere eine deutsche Siegerehrung mit Hakenkreuzfahnen. Nun stand endgültig fest, daß der Olympiafilm, den die Franzosen «Les dieux du Stade», Die Götter des Stadions, nannten, an diesem Tag seine französische Uraufführung erleben würde - allerdings nur am Nachmittag als Testvorführung und ohne Beteiligung offizieller französischer Persönlichkeiten. Mir wurde geraten, der Vorstellung nicht beizuwohnen. Man befürchtete nach wie vor Proteste.
      Meine Neugier war stärker als meine Angst. Vor Beginn spazierte ich, um unerkannt zu bleiben, mit Sonnenbrille die Champs-Elysées hinauf- und hinunter. Was würde geschehen? Ich wollte es mit eigenen Augen erleben. Die Vorstellung war ausverkauft, und so konnte ich mich, um nicht bemerkt zu werden, erst später in das Kino hineinschmuggeln. Als eine Platzanweiserin meine Karte sehen wollte, mußte ich mich zu erkennen geben. Die Frau sah mich überrascht an und brachte mir dann einen Hocker.
      Während der Szene, in welcher der letzte Fackelläufer mit dem Olympischen Feuer durch das Berliner Stadion läuft, wurde spontan applaudiert. Von nun an gab es immer wieder Applaus, zu meiner größten Überraschung auch bei den Aufnahmen von Hitler. Wo blieben die gefürchteten Proteste? Erleichtert und von einer Bürde befreit, blieb ich bis zum Schluß. Während das Publikum begeistert klatschte, versuchte ich, das Kino unerkannt zu verlassen, wurde aber erkannt und war in wenigen Sekunden von der Menge eingeschlossen. Glücklich über diesen Verlauf, beantwortete ich mit meinem so gut wie vergessenen Schulfranzösisch viele Fragen und gab Autogramme. Nach diesem unerwarteten Erfolg veranstaltete der französische Verleih eine glanzvolle Abendvorstellung, bei der alle, die Rang und Namen in Paris hatten, eingeladen waren. Es wurde ein Triumph, ähnlich wie vor einem Jahr der Parteitagfilm auf der Pariser Weltausstellung. Ich wurde umarmt, abgeküßt und umlagert.
      Entgegen den Befürchtungen überbot sich die Pariser Presse in Lobeshymnen. Einige Sätze, vor fünfzig Jahren geschrieben, möchte ich zitieren. So überschwengliche Kritiken werden selten geschrieben:

    ... Die Götter des Stadions haben der Erde ihr zweites Versprechen gegeben
    Ewigkeit «Lejournal»

    ...OLYMPIA - es ist mehr und besser als ein Film und selbst als ein Schau
    spiel. Das ist ein glühendes Gedicht der Bilder, des Lichtes und des Lebens, er ist
    ohne Alter und fast ohne Nationalität. «L’Ordre»
    ... die Olympische Flamme, die in eine Atmosphäre steigt, wie sie günstiger für
    den Frieden der Welt nie geschaffen wurde. «Le Figaro»

    ... ein Film, von dem man sich einen unvergänglichen Filmstreifen wünschen
    möchte, der auf ewig in den Archiven bewahrt werden müßte. «Marianne»

    ...der Film «Die Götter des Stadions» ist von solcher Größe, solcher Poesie,
    daß auch die am schwersten zu Bewegenden unter uns die Vorführung tief beein
    druckt verließen... Ein Film von einem Einfluß, dessen Adel, wenn ich das Wort
    anwenden darf, diejenigen besser macht, die ihn sehen. «Liberté»

      Nach diesem sagenhaften Erfolg sollte ich der Premiere in Brüssel beiwohnen. Auch hier mußte ich zuerst einiges Mißtrauen überwinden. Die «Tobis» wurde von der Deutschen Botschaft verständigt, die Uraufführung des Films hänge von einer Vorbesichtigung durch einen Vertreter des belgischen Königshauses ab. Gespannt warteten wir auf das Ergebnis. Es war positiv, die Deutsche Botschaft gab mir dennoch den Rat, an der Premiere nicht teilzunehmen. Proteste seien zu erwarten.
      Durch den Erfolg in Paris in meinem Selbstbewußtsein gestärkt, reiste ich nach

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