Memoiren 1902 - 1945
des Sudetenlandes an Deutschland verhandelten und den «Frieden von München» schlossen. Wie groß damals die Kriegsgefahr schon war, ahnte ich nicht. Sonst hätte ich für meinen langersehnten Urlaub mir nicht Amerika ausgewählt. Seit Jahren war es mein Wunsch gewesen, die Vereinigten Staaten kennenzulernen, nun konnte ich ihn mir endlich erfüllen.
Amerika
W ährend meiner Abwesenheit wurden in meiner Firma unter Leitung von Joachim Bartsch Beiprogrammfilme hergestellt. Hierbei bewährte sich vor allem Guzzi Lantschner, dessen Filme «Bergbauern», «Wildwasser» sowie «Osterskifahrt in Tirol» mit dem Skiweltmei ster Heli Lantschner und Trude Lechner Höchstpreise erzielten. Auch wurden aus dem nicht verwendeten Olympiamaterial an die zwanzig Sportfilme gemacht. Durch die Produktion dieser Kulturfilme konnte ich den engeren Stab meiner Mitarbeiter bis zum Ausbruch des Krieges immer beschäftigen.
Auf meiner Amerikareise begleitete mich Werner Klingenberg, der im deutschen Olympischen Komitee als Sekretär von Professor Dr. Diem gearbeitet hatte, und Ernst Jäger, gegen dessen Mitreise sich Dr. Goebbels so lange gesperrt hatte. Erst im letzten Augenblick bewilligte er sie, allerdings nur zögernd und mit Vorbehalten. Ich konnte sein Mißtrauen gegen Jäger nicht teilen, ich war überzeugt, nie einen ergebeneren und treueren Mitarbeiter gehabt zu haben.
In den ersten Novembertagen schifften wir uns in Bremerhaven auf der «Europa» ein. Für mich war diese Reise ein besonderes Erlebnis. Zum ersten Mal befand ich mich auf einem Schiff dieser Klasse. Die Überfahrt war ein Traum, ich genoß Wind, Meer und auch den Luxus, den das Schiff bot.
Als die Silhouette von Manhattan im Nebel auftauchte, überraschte uns die Ankunft vieler kleiner Boote mit amerikanischen Journalisten, die mich mit Fragen bestürmten. Einige hatten Brieftauben dabei. Sie hofften, Sensationelles von mir zu erfahren, was so auf schnellstem Wege in die Redaktion gelangen sollte.
Immer wieder wurde ich gefragt, ob ich mit Hitler eine Romanze hätte.
«Sind Sie Hitlers Geliebte?» Ich lachte und antwortete allen das gleiche: «Nein - das sind unwahre Gerüchte. Ich habe nur Dokumentarfilme für ihn gemacht.» Von allen Seiten wurde ich bedrängt und unentwegt fotografiert.
Da rief ein Reporter: «What do you say the Germans burn down Jewish Synagoges and disturb Jewish shops and kill Jewish people?»
Erschrocken widersprach ich: «That is not true, this cannot be true!»
Auf dem Schiff hatten wir amerikanische Zeitungen gelesen, in denen viel dummes Zeug über Deutschland stand. Deshalb war ich überzeugt, daß auch dies nur eine Verleumdung sein konnte. Seit fünf Tagen hatten wir auf dem Schiff nur alte Zeitungen gelesen und hatten keine Ahnung von den neuesten Nachrichten. So konnten wir auch nichts über die Geschehnisse der entsetzlichen «Kristallnacht» wissen.
Das Ergebnis meiner Dementis las ich auf den Titelseiten der amerikanischen Zeitungen in New York: «Leni Riefenstahl says that nothing is true what american newspapers write about the Nazis.» Auf derselben Seite dazu parallel: «Synagoges are burning in Germany, Jewish shops are being destroyed, Jews killed.» So wurde meine Urlaubsreise in Amerika durch diese furchtbaren Geschehnisse überschattet. Hätte ich geglaubt, was in den Zeitungen stand, würde ich damals nie amerikanischen Boden betreten haben. Erst als ich nach drei Monaten wieder nach Deutschland kam, erfuhr ich, was ich nie für möglich gehalten hätte.
Sofort nach meiner Rückkehr suchte ich Hauptmann Wiedemann auf, einen der Adjutanten Hitlers, der im Ersten Weltkrieg sein Vorgesetzter war. Da sein Verhältnis zu Hitler wegen seiner halbjüdischen Freundin distanzierter war, hoffte ich, von ihm die ungeschminkte Wahrheit zu erfahren. Was er berichtete, hat mich erschüttert. Er erzählte, wie es am 9. November zu diesen Untaten kam: Ein junger Jude hatte am 7. November in der Deutschen Botschaft in Paris den Botschaftssekretär, Ernst vom Rath, erschossen. Als das bekannt wurde, hätten sich Hitler und alle führenden Männer der Partei in München befunden, um am 9. November den Jahrestag des Marsches zur Eeldherrnhalle von 1923 zu begehen. «Wie eine Bombe», sagte Wiedemann, «hat diese Meldung auf die versammelten Parteileute gewirkt.» Hitler hatte am Vorabend im Bürgerbräukeller in höchster Erregung eine Rede gehalten, in der er für das Attentat Rache
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