Memoiren 1902 - 1945
brachte Inserate, in denen die Anti-Nazi-Liga zum Boykott gegen mich aufforderte. Die Texte lauteten:
«Es gibt in Hollywood keinen Platz für Leni Riefenstahl.» Auch über die Straßen waren solche Transparente gespannt. Hollywood zeigte mir die kalte Schulter. Kein Wunder nach dem Geschehen der schrecklichen Kristallnacht. Nach der Sympathie, mit der man mich bisher empfangen hatte, war dies ein schwerer Schock. Ich hatte mich so gefreut, meine amerikanischen Kollegen kennenzulernen und die Studios in Hollywood zu besichtigen. Die erste Auswirkung dieses Boykotts bekam ich bald zu spüren. Ohne eine Absage war der Termin mit dem Direktor der «Radio Music City Hall» verstrichen. Es hieß, er sei fristlos entlassen worden, weil es seine Absicht war, die Olympiafilme als amerikanische Uraufführung in seinem Theater herauszubringen. Ich wollte sofort abreisen, da es mir unter diesen Umständen keine Freude machte, in Hollywood zu bleiben.
Im Gegensatz zu dem Aufruf der Anti-Nazi-Liga bestürmten mich aber viele Amerikaner, nicht abzureisen. Die Liga, sagten sie, vertrete nur eine Minderheit, ich hätte hier viele Freunde. Wir wurden mit Einladungen geradezu überschüttet, und ich ließ mich überreden zu bleiben. So hatte uns eine wohlhabende Amerikanerin alle - wir waren immerhin mit Stowitts vier Personen - in ihre Luxus-Villa nach Palm Springs eingeladen, wo wir uns, solange wir Lust hatten, aufhalten konnten. Wir blieben dort eine Woche.
Damals war Palm Springs, wo vor allem Hollywoodstars und reiche Amerikaner lebten, noch klein. Mitten in einer Wüstenlandschaft blühte hier hinter hohen Zäunen ein durch künstliche Bewässerung geschaffenes Südseeparadies. Schönere Swimmingpools hatte ich noch nie gesehen.
Auch von Gary Cooper bekam ich überraschend eine Einladung. Er war, wie ich in der Presse las, begeistert von einem Deutschlandbesuch zurückgekommen. Man ließ mich wissen, ich würde von meinem Hotel abgeholt. Aber dann kam eine Absage. Cooper habe unerwarteterweise nach Mexiko reisen müssen und bedaure, mich nicht treffen zu können. Kein Zweifel für mich, daß er unter Druck gesetzt worden war.
Anders verlief es mit Walt Disney. Auch er hatte mich eingeladen. Schon am frühen Vormittag empfing er uns in seinen Studios und ver brachte den ganzen Tag mit uns. Geduldig, aber auch stolz, zeigte er uns, wie seine Trickfiguren entstehen, erläuterte seine ungewöhnliche Technik und ließ uns die Skizzen sehen, die er für seine neue Produktion «Der Zauberlehrling» entworfen hatte. Ich war fasziniert - für mich war Disney ein Genie, selber ein Zauberer, dessen Fantasien unbegrenzt zu sein schienen. Bei einem Lunch kam er auf die Biennale zu sprechen, wo «Schneewittchen» und «Olympia» im Wettstreit gestanden hatten. Er wollte gern beide Teile der Olympiafilme sehen. Kein Problem. Die Kopien waren im Hotel, sie mußten nur geholt werden. Disney überlegte, dann sagte er: «Ich fürchte, daß ich es mir nicht leisten kann.»
«Warum», fragte ich überrascht.
Disney: «Wenn ich mir die Filme ansehe, dann weiß das morgen ganz Hollywood.»
«Aber», warf ich ein, «Sie haben hier doch eigene Vorführräume, da weiß es doch niemand.»
Disney resigniert: «Meine Vorführer sind gewerkschaftlich organisiert, von ihnen würde man es erfahren. Ich bin zwar ein unabhängiger Produzent, aber ich habe keinen eigenen Verleih und keine eigenen Theater. Es könnte passieren, daß man mich boykottiert. Das Risiko ist zu groß.»
Wie mächtig die Anti-Nazi-Liga war, konnte ich drei Monate später, nachdem ich Amerika schon verlassen hatte, aus der US-Presse ersehen. Walt Disney wurde gezwungen, eine Erklärung abzugeben, daß er bei meinem Besuch nicht wußte, wer ich bin.
Um so erstaunlicher war es, daß viele Amerikaner, auf welche die Anti-Nazi-Liga scheinbar keinen so starken Einfluß ausüben konnte, uns verwöhnten. Als Gäste lebten wir auf großen Landgütern und lernten den Wilden Westen Amerikas kennen. Auf einer Ranch versuchte ein Cowboy mir das Lassowerfen beizubringen und gab mir auch meine ersten Reitstunden. Einmal ging mir das Pferd durch, es versuchte, mich an jedem Baum abzustreifen. Aber dem neben mir galoppierenden Cowboy gelang es im letzten Augenblick, die Zügel des wild gewordenen Gauls zu ergreifen, bevor ich an der Stalltür hängengeblieben wäre. Das freie Leben im «Wilden Westen» hätte mir gefallen.
Erst später habe
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