Memoiren 1902 - 1945
forderte. In Hitlers Abwesenheit hat Goebbels in Berlin vor versammelten Parteifunktionären eine fanatische Hetzrede gegen die Juden gehalten. Daraufhin wurden in den deutschen Städten Synagogen niedergebrannt, jüdische Geschäfte zerstört und Juden in Konzentrationslager gesteckt. Nach Wiedemanns Worten soll Hitler über dieses eigenmächtige Vorgehen von Goebbels empört gewesen sein - nicht aus Mitleid mit den Juden, sondern aus Furcht vor der Reaktion des Auslands. Der «Friede von München» war zu dieser Zeit erst ein paar Wochen alt. Wie schon sooft, hat Hitler seinen Minister gedeckt.
Noch hatten diese Nachrichten in New York eine antideutsche Stimmung nicht ausgelöst. Ahnungslos und unbeschwert nahm ich die vielen Huldigungen, die mir zuteil wurden, entgegen. King Vidor, der bekannte Regisseur, kam aus Hollywood, um mich in New York zu begrüßen. Selbst die Presse war im ganzen mehr als wohlwollend.
Wir besuchten die phänomenale «Radio Music Hall», das größte Kino Amerikas und mit seinem Zuschauerraum für sechstausend Personen das größte der Welt. In der Pause überbrachte mir der Direktor des Hauses Blumen und führte mich hinter die Bühne, wo er mir die weltbekannten «Ziegfeld-Girls» vorstellte. Vor Beginn jeder Vorstellung tanzten sie in einer Revue. Als sie hörten, daß ich auch Tänzerin war, umringten sie mich, und alle wollten sie mir die Hän de schütteln und Autogramme haben. In dieser fröhlichen Stimmung ahnte ich nicht, was sich über meinem Kopf zusammenbraute. Es sah alles so erfreulich aus. Der Direktor, ein Holländer, hätte mit mir am liebsten sofort einen Vertrag gemacht: Er wollte den Olympiafilm für sein Theater haben. Einen phantastischeren Start konnte es für meinen Film in Amerika nicht geben. Wir verabredeten, uns in Hollywood zu treffen, um dort den Vertrag im Beisein eines Anwalts auszuarbeiten.
Unsere nächste Station war Chicago. Hier waren wir Gäste von Avery Brundage, dem Präsidenten des IOC. In seinem Haus wurde zum ersten Mal der Olympiafilm in englischer Sprache gezeigt und von den etwa hundert Gästen begeistert aufgenommen.
Wir erhielten in Chicago auch eine Einladung des amerikanischen Automobilkönigs Henry Ford. Er begrüßte uns in Detroit. Sehr bald stellten wir seine große Sympathie für Deutschland fest. Er sprach sich lobend über die Beseitigung der Arbeitslosigkeit bei uns aus. Überhaupt schien ihm der Sozialismus sehr am Herzen zu liegen. Mit Stolz erzählte er, wie in seiner Firma schon 1914 durch die Einführung des Fließbandes der Mindestlohn von täglich 2,50 Dollar auf das Doppelte erhöht werden konnte, und daß er seine Arbeiter am Gewinn beteilige. Immer sei es sein Bestreben gewesen, billige Autos herzustellen, nicht nur für Wohlhabende. So konnte er schon 1918, als er jährlich über eine halbe Million produzierte, den Preis eines Autos von 950 auf 515 Dollar senken.
Beim Abschied sagte Ford zu mir: «Wenn Sie nach Ihrer Rückkehr den Führer sehen, sagen Sie ihm, ich bewundere ihn und freue mich, ihn auf dem kommenden Parteitag in Nürnberg kennenzulernen.»
Auf der Fahrt nach Kalifornien unterbrachen wir unsere Reise für einige Tage, um die fantastischen Grand Canyons kennenzulernen. Von Indianern kaufte ich mit echten Türkisen verzierten Silberschmuck, Geschenke für meine Freunde daheim.
Von Los Angeles, unserer nächsten Station, war ich enttäuscht. Ich hatte sie mir anders vorgestellt. Sie wirkte trostlos und häßlich. Deshalb fuhren wir schnell weiter und mieteten uns in Hollywood im «Beverly-Hills-Hotel» einen geräumigen Bungalow. Der SwimmingPool, die Gärten und bunten Blumen, die Sträucher mit Apfelsinen und Grapefruit-Früchten waren unser Entzücken. Das Schönste von allem aber war das wunderbare Klima. Hier konnte man sich wohlfühlen.
Zu meinem Leidwesen traf ich Sternberg nicht an. Er war in Japan. Schade, ich hatte mich so auf das Wiedersehen mit ihm gefreut. Aber ein anderer Freund begrüßte mich: Hubert Stowitts, der Maler, der mir mein Haus so geschmackvoll einzurichten half. Als großer Ästhet war er sehr an meiner Linie interessiert. Ich mußte abnehmen, und er paßte auf, daß ich mich mehr oder weniger nur von Salaten ernährte. Ich bin ein Freund kulinarischer Genüsse, und so fiel mir seine Kur ziemlich schwer, aber ich wurde dafür auch belohnt. In kurzer Zeit hatte ich eine Mannequin-Figur.
Über Nacht verflog meine Urlaubsstimmung. Die Presse
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