Memoiren 1902 - 1945
ich erfahren, daß mir in den Straßen Hollywoods bezahlte Privatdetektive folgten, die die Aufgabe hatten, zu verhindern, daß ich mit Schauspielern oder Regisseuren Kontakte aufnahm. Jeder der Hollywoodkünstler der sich mit mir getroffen hätte, mußte damit rechnen, seine Stellung zu verlieren. Trotzdem bedrängten mich Journalisten, ihnen meine Olympiafilme zu zeigen. Nach eini gem Zögern willigte ich ein. Es war nicht ungefährlich, aber ich verließ mich auf die Wirkung der Filme.
Vor ungefähr fünfzig Personen wurden sie in Hollywood in einer geschlossenen Vorstellung gezeigt. Um nicht erkannt zu werden, kamen einige bekannte Regisseure erst, als der Raum schon dunkel war. Wie in Europa waren die Zuschauer auch hier gefesselt - es wurde ein Riesenerfolg. Selbst die Presse war trotz des Boykotts ungewöhnlich gut.
So schrieb in den «Hollywood Citizen News» Henry McLemore, der United-Press-Korrespondent: «Gestern abend erlebte ich den besten Film, den ich jemals gesehen habe. Mir kam zu Ohren, daß der Film wegen des Anti-Nazi-Liga-Boykotts und weil er deutsche Propaganda enthalten soll, hier niemals gezeigt werden wird. Der Film enthält keine Propaganda - er ist so überragend, daß er überall, wo eine Bildwand vorhanden ist, gezeigt werden sollte.» Und in der Los Angeles Times stand: «Der Film ist ein Triumph der Kameras und ein Epos der Leinwand. Entgegen den Gerüchten ist er keineswegs ein Propagandafilm, und als Propaganda für irgendeine Nation ist seine Wirkung definitiv gleich Null.»
Nun kamen aus verschiedenen Teilen Amerikas Angebote. Am interessantesten war die Anfrage aus San Francisco, wo gerade die Weltausstellung stattfand. Dies war gleichzeitig eine gute Gelegenheit, die schönste Stadt Amerikas kennenzulernen. Mit einem gemieteten Wagen fuhren wir die herrliche Küstenstraße über Santa Barbara nach Norden - allein diese Fahrt ist mir unvergeßlich.
Der Olympiafilm begeisterte die Direktion der Weltausstellung so sehr, daß mir innerhalb von 24 Stunden ein Kontrakt vorgelegt wurde. Ein Glücksfall - ich konnte es kaum glauben. Der Vertrag sollte nur noch von einem Anwalt überprüft werden. Vor Freude trank ich mir am Abend mit meinen beiden Begleitern einen kleinen Schwips an. Aber schon unmittelbar nach meiner Rückkehr nach Hollywood erhielt ich aus San Francisco ein Telegramm - wieder eine Absage. Nun gab ich jede Hoffnung auf, in den USA einen Verleih zu finden, der es riskieren würde, den Olympiafilm zu zeigen.
Maria Jeritza, die große Wiener Opernsängerin, eine der schönsten Stimmen ihrer Zeit, verheiratet mit Mr. Sheehan, einem amerikanischen Filmproduzenten, der für «Metro-Goldwyn-Mayer» arbeitete, lud mich zu einem Abendessen in ihre feudale Villa ein. Sie bat mich, wenn es möglich wäre, zwei Rollen des Olympiafilms mitzubringen, die sich ihr Mann ansehen wollte, aber nur, wenn es niemand erführe. Nach dem Essen - ich war der einzige Gast - ging Mr. Sheehan mit einem Vorführer in das Untergeschoß des Hauses, um sich dort allein die zwei Filmrollen anzusehen. Vorsorglich hatte ich
aber die vollständigen Kopien beider Teile mitgebracht. Erst nach vier Stunden kam er wieder zu uns nach oben. Was ich vermutet hatte, war eingetreten. Entgegen seiner Absicht hatte er sich nach den ersten Rollen den ganzen Film angesehen.
«Ich habe nicht aufhören können», sagte er noch ganz benommen, «es wäre ein Verlust, wenn dieser Film, der wirklich einzigartig ist und sicherlich ein Riesengeschäft werden würde, in den USA nicht gezeigt werden könnte. Jammerschade.»
«Bist du denn so sicher?» fragte seine Frau.
«Selbstverständlich», meinte er, «trotzdem würde ich den Film gern ‹Metro-Goldwyn-Mayer› zeigen.» Aber dann resignierend: «Es ist hoffnungslos.»
Ein Spion
E s kam der Tag der Abreise. Meine beiden Begleiter waren nach New York vorausgefahren. Ernst Jäger wollte noch, bevor wir die USA verließen, einen Presseempfang organisieren. Seine Idee war, die Journalisten direkt auf das Schiff einzuladen.
Wenige Stunden vor Abfahrt meines Zuges rief Maria Jeritza an. «Können Sie», sagte sie aufgeregt, «mich heute nachmittag besuchen?»
«Es tut mir sehr leid», sagte ich bedauernd, «aber ich muß heute abreisen, nach New York.»
«Nur eine Stunde», sagte sie mit drängender Stimme.
«Was ist geschehen?» fragte ich beunruhigt.
«Kommen Sie wenigstens für ein paar Minuten, es ist für
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