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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Trichtermikrofon in die Hand und rief etwas hinein, was ich nicht verstand, aber aus seinen enthusiastisch gesprochenen Worten hörte ich meinen Namen heraus. Die Wettkämpfe wurden unterbrochen, die Zuschauer in dem überfüllten Stadion erhoben sich von ihren Sitzen. Dann sangen sie die finnische Nationalhymne. Diese Ehrung war zuviel für mich - ich konnte die Tränen nicht zurückhalten. Als die Hymne verklungen war, stand ich noch immer fassungslos in der Mitte des Stadions. Bewegt nahm ich einen großen Strauß roter Rosen in meine Arme.
      Am kommenden Vormittag hatten wir uns von unseren finnischen Freunden verabschiedet und wollten schon ins Flugzeug einsteigen, als mir im allerletzten Augenblick ein finnischer Sportler, atemlos vom Laufen, ein Abschiedsgeschenk überbrachte, das ich noch heute besitze: Ein in Leder gebundenes Buch mit dem offiziellen finnischen Bericht über die Olympischen Spiele in Berlin. In den kurzen Tagen meines Aufenthalts in Helsinki hatten sich sämtliche finnischen Olympiateilnehmer, auch solche, die im hohen Norden des Landes lebten, eingetragen. Kein einziger Name fehlte. Selbst Nurmi, das finnische Laufwunder, hatte unterschrieben.
      Nach diesen Huldigungen in den skandinavischen Ländern war Oslo unsere letzte Station. Von den kühlen Norwegern war eine ähnliche Begeisterung wie in Finnland sicherlich kaum zu erwarten. Auch die «Tobis» war dieser Meinung und legte mir wieder einmal nahe, nicht nach Oslo zu fahren. Norwegen sei trotz seines populären Königs zu «rot», auch würde die norwegische Regierung alles andere als deutschfreundlich sein. Ich schwankte, aber dann siegte mein Optimismus. Was heißt hier «rot»? Ich habe keine Vorurteile gegen politisch Andersdenkende.
      Beim Schneiden des Filrns hatte ich mich bemüht, ihn so zu gestalten, daß ein und dieselbe Fassung in allen Ländern gezeigt wer den konnte. Die vielen unerwarteten deutschen Siege hatte ich nicht hervorgehoben und nicht einmal erwähnt, daß Deutschland die meisten Medaillen gewann. Ich wollte vermeiden, daß wir als Gastgeber der Spiele uns mit unseren Erfolgen brüsteten und damit Nationen, deren Athleten weniger vom Glück begünstigt waren, herabsetzten. Deshalb habe ich vor allem die Medaillengewinner der kleineren Nationen gezeigt, wie beispielsweise den einzigen Neuseeländer Lovelock.
      Die Deutsche Botschaft in Oslo war von meiner Ankunft nicht entzückt, aber ich war zuversichtlich. Schon im Zug zur norwegischen Hauptstadt war mir ein Reporter der Zeitung «Aftenposten» entgegengefahren. Wenn ich dieses Interview heute lese, muß ich meine damalige Ansicht, die Norweger seien kühl, revidieren. Es ist ein «Gedicht in Prosa». Mit dieser «Ouvertüre» fühlte ich mich gegen eventuelle Angriffe einigermaßen gewappnet.
      Alle meine Befürchtungen erwiesen sich auch hier als Irrtum. Schon am ersten Tag wurde ich, zur größten Überraschung des deutschen Botschafters, vom norwegischen König Haakoon zu einer Audienz gebeten. Es war die längste Unterredung, die ich in Skandinavien mit einem Monarchen hatte. Der König gab mir die Ehre, die Festaufführung meines Film im «Colosseum» mit seiner Familie zu besuchen. Dort saß er inmitten der deutschen Ehrengäste, was selbst kein Norweger für möglich gehalten hätte.
      Der Film wurde auch hier von Beifallsstürmen begleitet, und selbst in Oslo wurde, wie in allen europäischen Hauptstädten zuvor, geklatscht, wenn Hitler erschien. Und wer es nicht glauben will, mag es in den Zeitungsarchiven nachlesen. Ich habe oft darüber nachgedacht, was es bedeutete, daß solche Sympathien in Europa Hitler noch ein Jahr vor Kriegsausbruch entgegengebracht wurden.
      In Oslo erlebte ich einen anderen Höhepunkt norwegischer Toleranz. Einen Tag nach der Premiere gab der norwegische Ministerpräsident im festlich geschmückten Rokokosaal mir zu Ehren ein Abendessen, an dem alle Minister und Regierungsvertreter teilnahmen, es waren ungefähr dreihundert Personen. Die Situation war ungewöhnlich. An der festlich geschmückten Tafel saßen nur Herren im Frack, meine Mutter und ich waren die einzigen Frauen.
      Einige Regierungsvertreter sprachen sich in ihren Reden für eine kulturelle Zusammenarbeit mit Deutschland aus, danach würdigte der Ministerpräsident in seiner Ansprache meine Arbeit und nannte den Olympiafilm einen «Boten des Friedens». In «Aftenposten», Norwegens größter Zeitung, stand: «Der Olympia-Film ist ein

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