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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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für Sie getan habe. Sie haben nicht nur spioniert, mich belogen und betrogen, sich betrügerisch von fremden Menschen Geld geben lassen, sondern wollen auch, wie Mrs. Whitehead mir sagte, nicht nach Deutschland zurückkehren...» Aber wenn ich geglaubt hatte, einen zerknirschten und reumütigen Menschen vor mir zu sehen, so täuschte ich mich sehr.
      Er wartete, bis ich nicht mehr sprechen konnte, dann sagte er, seine Hände beschwörend in die Höhe haltend: «Meine liebe Leni Riefenstahl, bitte regen Sie sich doch nicht auf, bleiben Sie ruhig, nie könnte ich Ihnen so etwas antun. Natürlich begleite ich Sie nach Deutschland zurück. Ich weiß doch, daß Sie für mich gebürgt haben - ich wäre ein Schuft, wenn ich Sie so betrügen würde. Sie wissen doch, wie ich Sie seit Jahren verehre. Das alles sind Mißverständnisse, die ich Ihnen erklären werde - mein Leben würde ich für Sie geben.» Er stand vor mir wie ein Heiliger.
      Ich wurde unsicher. «Und was ist mit dem Geld?» fragte ich erregt.
      «Unsere Kasse ist leer», sagte er, «und deshalb habe ich vorgesorgt. Sie brauchen doch das Geld noch in New York.»
      «Sie können doch nicht ohne mein Einverständnis Geld für mich borgen», sagte ich ungläubig. «Es fällt mir schwer, Ihnen zu glauben. Wenn nur etwas von dem wahr ist, was man mir erzählt hat, könnte ich Ihren Anblick nicht mehr ertragen.» Dann ging ich auf ihn zu, schaute ihm fest in die Augen und sagte: «Können Sie mir Ihr Wort geben, daß Sie morgen mit mir zurück nach Deutschland kommen, daß Sie mich nicht verraten und verleumdet haben und daß Sie mir
    das geborgte Geld aushändigen werden?»
      Ernst Jäger sah mich offen und ruhig an, verbeugte sich und sagte mit einer tiefen und, wie mir schien, bewegten Stimme: «Mein Ehrenwort.»
      Noch einmal schien alles sich zum Guten zu wenden. Wenn auch Jäger mein Mißtrauen trotz seines «Ehrenworts» nicht ausräumen konnte, glaubte ich, beeindruckt von seiner Treuherzigkeit, daß noch alles zu reparieren wäre. Zu oft hatte er mir Beweise tiefster Verehrung gegeben. Auch meine Stimmung war optimistischer, weil sich im letzten Augenblick doch noch eine Chance ergeben hatte, meinen Olympiafilm entgegen dem Boykott an eine große Verleihfirma in New York zu verkaufen. Jäger wußte davon noch nichts, und ich war nun gewarnt, ihm nichts davon zu sagen.
      Im Büro der «British Gaumont» hatte man mich schon mit Ungeduld erwartet. Das war die Firma, die die Verleihrechte der Olympiafilme für Amerika und auch für England erwerben wollte. Daß dies trotz des Boykotts möglich war, lag ausschließlich daran, daß «British Gaumont» ein unabhängiger englischer Verleih war, achthundert eigene Kinos in den USA besaß, auf welche die Anti-Nazi-Liga keinen Einfluß ausüben konnte. Das Angebot war fantastisch, die Vorverträge, die ich der «Tobis» übergeben sollte, waren ausgearbeitet. Ein Sieg in letzter Stunde.
      Am nächsten Tag stand ich auf Deck der «Hansa». Der Kulturattaché der Deutschen Botschaft, den ich über den Verdacht gegen Jäger informiert hatte, begleitete mich und versuchte, mich zu beruhigen. Ich war sehr erregt, die ersten Gäste, vor allem die eingeladenen Journalisten, kamen auf das Schiff. Ernst Jäger war nirgends zu entdecken. Ich war außer mir. Was sollte ich nur tun? Auch der Kulturattaché wurde nervös. Möglicherweise war Jäger tatsächlich ein Spion, der noch weiteren Schaden anrichten könnte. Während ich mich bemühte, die Fragen der Journalisten zu beantworten, beobachtete ich unentwegt die Gangway in der Hoffnung, Jäger würde noch im letzten Augenblick erscheinen. Was sollte ich nur Goebbels sagen, wenn ich ohne Jäger zurückkäme! Schlimmer und schmerzlicher aber war die menschliche Enttäuschung.
      Nachdem der Kapitän wiederholt zur Abfahrt gemahnt hatte und die letzten Gäste gegangen waren, verließen mich meine Kräfte. Ich wurde von Weinkrämpfen geschüttelt. Der Kulturattaché brachte mich in meine Kabine und versuchte vergeblich, mich zu beruhigen. Da er mich in diesem Zustand nicht allein lassen wollte, blieb er auf der «Hansa» und begleitete mich bis Canada.

    In Paris

    D as Unwetter, das auf dem Atlantischen Ozean tobte, hatte die Fahrt der «Hansa» so verlangsamt, daß ich erst mit halbtägiger Verspätung am 27. Januar in Cherbourg eintraf, wo ich schon von französischen Korrespondenten erwartet wurde. Sie wollten über meine Eindrücke und Erlebnisse in

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