Memoiren 1902 - 1945
Sie sehr wichtig», sagte sie fast bittend, «ich schicke Ihnen sofort meinen Wagen.»
«Liebe Frau Jeritza, wie gern würde ich kommen, aber in wenigen Minuten muß ich mein Hotel verlassen, können Sie es mir nicht am Telefon sagen?» Ich war schon sehr nervös.
Dann begann sie, erst zögernd, dann immer eiliger und eindringlicher zu sprechen: « Liebe Leni, so darf ich Sie doch nennen, ich muß Sie warnen, vor einer großen Gefahr.» Nach einer Pause: «Sie haben einen Spion um sich, der alles, was Sie vorhaben und tun, gegen Dollarschecks weitergibt.»
«Das ist unmöglich», rief ich ins Telefon, «meine beiden Begleiter sind mir treu ergeben.»
«Das glauben Sie, aber dies ist ein Irrtum. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie mein Mann Herrn Jäger hohe Dollarbeträge übergab als Dank für die Kopien, die er von Ihrer Korrespondenz anfertigte, und für die Informationen, die er dauernd lieferte.»
«Das ist unmöglich», sagte ich entsetzt.
Frau Jeritza: «Herr Jäger war ständig mit der Anti-Nazi-Liga in Verbindung, er hat sie auch von San Francisco angerufen, nachdem die Direktoren der Weltausstellung Ihren Olympiafilm gesehen haben. Er hat sie täglich, manchmal stündlich über Ihre sämtlichen Vorhaben verständigt. Deshalb wurden alle Angebote, die Sie erhielten, rückgängig gemacht. Wohin Sie auch in Amerika reisen, niemand wird es wagen, den Olympiafilm zu spielen.»
Ich war so fassungslos, daß ich nicht mehr antworten konnte. «Sind Sie noch am Telefon?» hörte ich ihre Stimme, «deshalb wollte ich Sie, mein liebes Kind, sprechen. Herr Jäger, dem Sie so vertrauen», fuhr sie fort, «hat von allen Ihren Briefen, die Sie nach Deutschland schickten, Kopien gemacht und diese Ihren Feinden ausgehändigt. Er fährt auch nicht mit Ihnen zurück nach Deutschland, er soll, wie ich hörte, nach Ihrer Abreise die Absicht haben, mit dem Regisseur Dutpont eine Zeitung herauszubringen, die in der Hauptsache Skandalberichte über Sie bringen soll.»
Mir wurde ganz schwindlig - ich konnte nur noch meinen Dank ins Telefon flüstern.
Fünf Tage rollte die Eisenbahn von Los Angeles nach New York, fünf lange Tage und Nächte, in denen sich meine Gedanken fast ausschließlich mit Ernst Jäger befaßten. Noch immer wollte ich nicht wahrhaben, was mir Maria Jeritza erzählt hatte. Was hatte ich nicht alles für diesen Mann getan, sogar für seine Integrität hatte ich mich Dr. Goebbels gegenüber verbürgt.
Als ich in New York in Central Station aus dem Zug stieg, erwartete mich Ernst Jäger mit einem Strauß roter Rosen. Lächelnd und unbefangen begrüßte er mich wie immer, so daß ich meine Gedanken wie einen bösen Spuk abschütteln wollte. Doch schon im Hotel erhielt ich weitere Hinweise, die den gegen ihn erhobenen Verdacht zu bestätigen schienen.
In der Halle traf ich Mrs. Whitehead, die Gattin eines der reichen Coca-Cola-Besitzer, mit dem Heinz und ich gut bekannt waren. Sie hatten mir bei ihrem letzten Besuch in Berlin einen prachtvollen jungen Schäferhund geschenkt, den ich dressieren ließ und der aufs Wort gehorchte.
Mrs. Whitehead kam auf mein Zimmer. Sie berichtete mir, Herr Jäger habe mehrmals versucht, sich von ihr größere Geldbeträge zu borgen - angeblich zu meiner Disposition. Sie mißtraute ihm und gab ihm kein Geld. Auch warnte sie mich vor ihm, da er geäußert hatte, daß er auf keinen Fall nach Deutschland zurückfahren würde.
Ein Eilbrief wurde mir überbracht. Sein Inhalt ließ mich erblassen. Ein wohlhabender Amerikaner, mit dem wir gemeinsam die Überfahrt nach Amerika gemacht hatten, schrieb, er habe auf dringende Telegramme Jäger zehntausend Dollar überwiesen, die er für mich angefordert hatte, mit der Begründung, ich benötige das Geld dringend nach meiner Ankunft in New York und werde es in kürzester Zeit zurückzahlen.
Das war zuviel. Ich rief die Deutsche Botschaft an und erfuhr, daß Jäger auch dort versucht hatte, sich Geld, angeblich für mich, zu, borgen. Noch bevor ich den Hörer auflegte, klopfte es, und Ernst Jäger betrat das Zimmer. Treuherzig sah er mich an, und im Ton eines Biedermannes sagte er, für den morgigen Presseempfang auf der «Hansa», so hieß unser Schiff, mit dem wir zurückfahren sollten, sei alles vorbereitet.
Da war es mit meiner Beherrschung vorbei. «Was sind Sie für ein Scheusal», schrie ich ihn an, «wie konnten Sie mich nur so hintergehen, nachdem ich so viel
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