Memoiren 1902 - 1945
und den Stil, der mir vorschwebte, gab es keine Meinungsunterschiede. Auch war Fehling von den Aufnahmeplätzen, die ich ausgewählt hatte, begeistert. Die Schlachtszenen zwischen den Amazonen und Griechen sollten in der libyschen Wüste aufgenommen werden. Nicht allein wegen der Unterstützung, die mir Marschall Balbo dort zugesagt hatte, sondern bestechend war der ewig blaue wolkenlose Himmel, vor dem die klassischen Gestalten unter der hochstehenden Sonne wie in Stein gemeißelte Relieffiguren aussehen würden. Der Film sollte auf keinen Fall bunten Hollywoodfilmen ähneln. Ich wollte die Farben sparsam verwenden. Sie sollten zwischen den Farbtönen beige und braun abgestuft sein, wie die Farben der alten Götterbauten am Nil.
Die düstere Tragik der letzten Kampfszene, das Duell zwischen Penthesilea und Achilles, die einen starken Gegensatz zu den ersten großen Schlachtszenen in der Sonnenlandschaft Libyens darstellt, sollte auch optisch zum Ausdruck kommen. Deshalb wollte ich diese Aufnahmen auf Sylt oder an der Kurischen Nehrung machen. Dort konnten wir die Szenen gegen dunkle Wolkenbänke filmen. Alles sollte in der Natur, nichts im Atelier aufgenommen werden. Allerdings sollte die Natur im Bild niemals realistisch wirken, sondern durch Bildausschnitt, Licht und überdimensional aufgenommene Motive wie etwa von Sonne und Mond stilisiert werden. Für die Kamera war es eine faszinierende Aufgabe, aus Regenbogen und Wolken, aus stürzenden Wassern und entwurzelten Baumriesen solche unwirklichen Bilder zu schaffen. Mit diesen optischen Visionen würde Kleists Sprache harmonieren.
Nur so konnte ich mir «Penthesilea» im Film vorstellen.
Bei Albert Speer
I n Berlin waren die Vorbereitungsarbeiten für den Film in vollem Gang. Wichtige Entscheidungen waren zu treffen. Es ging vor allem um die Auswahl der Darsteller. Noch hatten wir keinen Achilles. Verpflichtet waren bisher nur Maria Koppenhöfer und Elisabeth Flikkenschildt, für die Rollen der Priesterinnen, und junge sportliche Mädchen, die in Reitkursen ihre Ausbildung als Amazonen erhielten.
In Wien wählten wir die Lipizzaner-Hengste aus, im Rheinland die großen Doggen, mit denen Penthesilea gegen Achilles in ihren letzten Kampf zieht. Die Kameraleute wurden verpflichtet und Probeaufnahmen gemacht.
Über diesem hektischen Arbeitstempo hatte ich vergessen, Albert Speer anzurufen. Er wollte mich dringend sprechen. An einem Nachmittag, Mitte August, besuchte ich ihn in seinem Atelier am Pariser Platz. Er zeigte mir ein riesengroßes Modell des geplanten Neubaus von Berlin. Erst dachte ich, es handelt sich um ein architektonisches Phantasieobjekt. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß eine Stadt wie Berlin neu aufgebaut werden sollte. Aber Speer erklärte mir, schon in allernächster Zeit würde mit dem Bauen begonnen werden.
«Deshalb», sagte er, «wollte ich Sie sprechen. Von diesen Modell: bauten, deren Entwürfe nicht nur von mir, sondern auch von anderen Architekten stammen, möchte ich ein Filmdokument herstellen lassen, »und da dachte ich an Sie.»
Ich mußte Speer leider enttäuschen, da ich ja «Penthesilea» vorbereitete. Ich schlug ihm Dr. Fanck vor, der mit seinen zwei letzten Filmen wenig Erfolg gehabt hatte und gerade nicht beschäftigt war.
Speer war einverstanden, bat mich aber, Fanck durch meine erfahrenen Mitarbeiter zu unterstützen und die Produktion dieses Films, die von der Organisation Todt finanziert wurde, im Rahmen meiner Firma zu organisieren und zu überwachen.
Unerwartet erschien Hitler. Er trug seine Parteiuniform, braune Jacke und schwarze Hose, weder Mantel noch Mütze. Anscheinend war er durch eine Hintertür, die zu den Gärten der Reichskanzlei führte, in Speers Atelier gekommen.
Ich wollte mich sofort verabschieden, aber Hitler sagte: «Bleiben Sie nur, Fräulein Riefenstahl, Sie können hier etwas Einmaliges sehen.»
Während er die Modelle betrachtete, hörte ich, wie Speer sagte: «Mein Führer, ich kann Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß wir nach dem Ergebnis der Boden-Untersuchungen die Neubauten von Berlin in fünfzehn statt in zwanzig Jahren fertigstellen können.»
Hitler blickte überrascht auf und sagte mit freudig erregter Stimme, etwas pathetisch, die Hände hochhebend und den Blick nach oben gewandt, wie ich es schon einmal bei meiner ersten Begegnung mit ihm an der Nordsee erlebt hatte: «Gott gebe, daß ich das noch erleben darf und daß
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