Memoiren 1902 - 1945
ich nicht zu einem Krieg gezwungen werde.»
Ich war erschrocken, als ich das Wort «Krieg» hörte. Als schon zwei Wochen später der Krieg ausbrach, habe ich oft an diese Worte Hitlers in Speers Atelier denken müssen. Ich habe sie mir nie erklären können.
Hitler und Speer debattierten eingehend über Details der Modellanlage. Mir fiel darin eine große, riesig breite Straße auf, die von Süden nach Norden lief und zwei Bahnhöfe miteinander verband. Dem Gespräch entnahm ich, daß es nur noch diese zwei Bahnhöfe geben sollte. Um die Bahnhofsgebäude waren breite Wasseranlagen geplant, von Rasenflächen umsäumt und von Bäumen und Blumen bepflanzt. Hitler erklärte: «Wenn Gäste unsere Hauptstadt besuchen, sollen sie von Berlin einen überwältigenden Eindruck bekommen.»
In manchen Stadtteilen lagen Universitäten, Schulen und Lehranstalten beisammen, in anderen Museen, Galerien, Theater, Konzertsäle und Lichtspieltheater. Ein weiterer Stadtteil bestand aus Krankenhäusern, Kliniken und Altersheimen. Am auffälligsten waren Regierungs- und Parteigebäude in klassizistischem Stil, wie Speer ihn bei seinem Bau der Neuen Reichskanzlei schon praktiziert hatte. Bombastisch empfand ich einen gigantischen Kuppelbau, der durch seine enorme Höhe - den Kölner Dom hätte man in jeden der vier Ecktürme hineinstellen können - das Stadtbild zerstörte. Dieser Bau war, soviel ich verstand, besonderen Massenveranstaltungen vorbehalten, und in den riesigen Ecktürmen sollten Grabstätten für verdiente Parteileute Platz finden.
Hitler fragte mich: «Was für Bäume sollen wir auf unserer neuen Hauptstraße pflanzen?»
Spontan sagte ich: «Die Bäume, die ich in Paris auf den ChampsElysées gesehen habe. Ich glaube, es sind Platanen.»
«Was meinen Sie, Speer?»
«Finde ich gut», sagte Speer trocken.
«Also Platanen», sagte Hitler gut gelaunt. Dann verabschiedete er sich.
Hitler sieht Stalin
A us meinen Aufzeichnungen ersehe ich, daß die Unterhaltung bei Speer Mitte August 1939 stattgefunden hatte - nur zwei Wochen vor Kriegsausbruch.
Wenige Tage danach wurde ich zufällig Zeuge einer Szene, die mir historisch ungemein wichtig erschien. In die Reichskanzlei wurden von Zeit zu Zeit Künstler zu Filmabenden eingeladen. Ich war meistens zu beschäftigt und mußte gewöhnlich absagen. Aber diesmal wollte ich hingehen. Nach meinem Besuch bei Speer hatte ich das Gefühl, irgend etwas liege in der Luft, was mich beunruhigte.
Wie sooft kam ich zu spät, die Vorführung hatte schon begonnen. Verschiedene Wochenschauen wurden gezeigt. Bei einer sah man Stalin, wie er in Moskau eine Truppenparade abnahm. Dabei waren einige leinwandgroße Profilaufnahmen Stalins zu sehen. Ich beobachtete, daß Hitler sich bei den Stalinbildern vorbeugte und sie konzentriert betrachtete. Als die Vorführung zu Ende war, verlangte er überraschend, diese Wochenschau noch einmal zu sehen, ohne zu sagen, warum. Als Stalin wieder im Bild erschien, hörte ich, wie er sagte: «Dieser Mann hat ein gutes Gesicht - mit ihm müßte man doch verhandeln können.» Als es hell wurde, stand Hitler auf, entschuldigte sich und ging fort.
Schon zwei Tage später - ich erinnere mich an das Datum genau, es war mein Geburtstag - flog der deutsche Außenminister Joachim von Ribbentrop nach Moskau. Unter seinen Begleitern befand sich Walter Frentz, einer meiner Kameraleute. Er führte Kopien meiner Olympiafilme mit sich, sie waren von der Reichskanzlei angefordert worden. Jetzt glaubte ich die Bedeutung der Filmvorführung und Hitlers Anruf zu verstehen. Tatsächlich wurde schon einen Tag nach der Ankunft Ribbentrops in Moskau der Nichtangriffspakt zwischen Deutschland und Rußland unterzeichnet.
Nach Ribbentrops Rückkehr fand in Berlin in der sowjetischen Botschaft ein Empfang zur Feier des alle Welt verblüffenden «Hitler-Stalin-Pakts» statt. Ich war eingeladen. Mir wurde ein handgeschriebener Brief Stalins überreicht, in dem er seine Bewunderung für die Olympiafilme zum Ausdruck brachte.
Mein Eindruck war, daß der plötzliche Entschluß Hitlers, mit Stalin zu verhandeln, in dem Augenblick entstand, als er seine Nahaufnahmen in der Wochenschau gesehen hatte.
Auf der Himmelsspitze
V or Beginn der «Penthesilea»-Aufnahmen wollte ich noch einmal ausspannen. Es war der 30. August, als ich mich in meinen Sportwagen setzte und nach Bozen fuhr. Hans Steger erwartete mich. Von dort ging es zur
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