Memoiren 1902 - 1945
Plan sei von der Wehrmacht genehmigt.
Ein Major brachte uns im Grunewald bei, mit Gasmaske und Pi stole umzugehen. Innerhalb von zwei Tagen erhielten wir blaugraue Uniformen, wie sie von den Kriegsberichterstattern später getragen wurden. Deutschen war es verboten, sich im Frontgebiet in Zivilkleidung aufzuhalten. Sepp Allgeier mußten wir aber in Zivil mitnehmen; er konnte nicht mehr rechtzeitig eingekleidet werden.
Am 5. September verließ unser kleiner Filmtrupp Berlin, Richtung Osten. Wir sollten uns in Polen bei dem Chef der Heeresgruppe Süd, Generaloberst von Rundstedt, melden. Schon um die Mittagszeit erreichten wir das Hauptquartier, wo wir von Rundstedt begrüßt wurden und die Anweisung erhielten, zu Generaloberst von Reichenau zu fahren, der weiter vorn bei Konskie seinen Gefechtsstand hätte.
In diesem kleinen polnischen Ort ging es recht lebhaft zu. Soldaten in allen Straßen, Motorräder und Kübelwagen sausten an uns vorüber. Generaloberst von Reichenau hatte in einem abgestellten Eisenbahnabteil sein Quartier aufgeschlagen. Ich erkannte in ihm den Mann wieder, der sich bei Hitler anläßlich des Parteitagfilms beschwert hatte. Fünf Jahre lag das zurück. Er begrüßte uns kurz, aber freundlich, schien mir nichts nachzutragen, war aber ziemlich ratlos, wo er uns unterbringen sollte. Reichenau riet, mit unseren Wagen möglichst in der Nähe des Wagenparks der Wehrmacht zu bleiben. Wir befanden uns in unmittelbarer Frontnähe und konnten in Feuergefechte geraten. Am kommenden Tag sollten wir Vorschläge für Filmaufnahmen erhalten. Fest stand nur, daß ein Kameramann im Kübelwagen in das Frontgebiet fahren sollte. Guzzi meldete sich freiwillig. Glücklicherweise hatte ich mein Zelt mitgenommen und konnte die Nacht, vor Kälte und Wind geschützt, auf dem Parkplatz verbringen. Die anderen versuchten, es sich in unseren beiden Autos bequem zu machen.
Kurz vor der Morgendämmerung wurde Guzzi für die Aufnahmen abgeholt. Wir hörten Geschützfeuer. Geschosse schlugen plötzlich durch mein Zelt. So gefährlich hatte ich mir das nicht vorgestellt.
Einige meiner Leute hatten inzwischen schon Verbindung zu den Soldaten aufgenommen. Am Tag vor unserer Ankunft hatten polnische Zivilisten einen hohen deutschen Offizier und vier Soldaten ermordet und auf das Furchtbarste verstümmelt; man hatte ihnen die Augen ausgestochen und die Zungen herausgeschnitten. Dies war schon das zweite schreckliche Ereignis innerhalb von zwei Tagen. Beim ersten waren sechs Soldaten von polnischen Partisanen im Schlaf ermordet und massakriert worden. Ihre Leichen wurden nach Berlin überführt. Die bei dem Massaker des gestrigen Tages getöteten Soldaten lagen in der Kirche aufgebahrt und sollten hier beerdigt werden.
Wir gingen zum Marktplatz, auf dem eine Menge deutscher Soldaten versammelt war. In ihrer Mitte schaufelten polnische Männer eine Grube, das Grab für die deutschen Soldaten. Unter den Soldaten herrschte größte Erregung, in den Gesichtern der Polen spiegelte sich Todesangst. Sie verstanden kein Deutsch und fürchteten, ihr eigenes Grab auszuheben. Da erschien ein deutscher Polizeioffizier, stellte sich an den Rand der Grabstelle und forderte die Soldaten auf, Ruhe und Disziplin zu bewahren. Er hielt eine kurze Ansprache: «Soldaten, so grausam auch der Tod unserer Kameraden gewesen ist, wir wollen nicht Gleiches mit Gleichem vergelten.» Dann forderte er die Soldaten auf, die Polen nach Hause zu schicken und die Toten zu begraben.
Nachdem der Offizier zurückgetreten war, zogen einige Soldaten die verängstigten Polen nicht gerade sanft aus der Grube. Neben mir stand eine besonders aufgebrachte Gruppe. Sie mißachtete die Aufforderung des Offiziers und versetzte den sich aus der Grube drängenden Männern brutale Fußtritte.
Das empörte mich. Ich schrie sie an: «Habt ihr nicht gehört, was der Offizier euch gesagt hat? Ihr wollt deutsche Soldaten sein?» Die aufgebrachten Männer richteten sich jetzt bedrohlich gegen mich. Einer schrie: «Haut ihr eine aufs Maul, weg mit dem Weib!» Ein anderer rief: «Schießt dieses Weib nieder», und richtete sein Gewehr auf mich. Entsetzt schaute ich auf die Soldaten. In diesem Augenblick wurde ich fotografiert.
Als der Gewehrlauf auf mich gerichtet war, rissen mich meine Mitarbeiter zur Seite. Im gleichen Augenblick hörten wir in der Ferne einen Schuß, kurz danach mehrere. Alles rannte von der Grabstelle in die Richtung, aus der
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