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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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war.
      Ich hatte bis dahin weder die «Internationale» gehört noch die geballte Faust als kommunistisches Symbol erlebt. Heute mag das unglaubhaft klingen, aber selbst damals, vor fast einem halben Jahrhundert war meine politische Unwissenheit kaum entschuldbar.

    Skandalberichte aus Hollywood

    D er Postbote brachte mir in Berlin ein Päckchen der Deutschen Botschaft aus Washington. Es enthielt einen Brief und ein Bündel Zeitungen. Als ich beides las, wurde mir schlecht. Maria Jeritzas Prophezeiungen hatten sich erfüllt: Ernst Jäger hatte mit dem Regisseur Dupont in Hollywood eine primitive Klatsch-Zeitung herausgebracht, die unglaubliche Skandalgeschichten über mich berichtete. Darin stand zu lesen, daß ich nicht nur die Mätresse Hitlers, sondern gleichzeitig auch die Gespielin der Herren Goebbels und Göring sei. Sogar meine Spitzenunterwäsche war beschrieben, die ich für die jeweiligen Liebesstunden bevorzugte. Dazwischen Abschnitte, die der Wahrheit entsprachen, Ausschnitte aus meinen Briefen, die sich Jäger kopiert hatte. Für Außenstehende mußte das alles, infame Lügen und wahre Begebenheiten miteinander vermischt, glaubwürdig erscheinen.
      Was ich las, war widerwärtig, teilweise pornographisch und auch politisch gefährlich. Jäger hatte einige meiner Äußerungen über Goebbels, die nicht immer schmeichelhaft waren, in Hollywood heimlich aufgezeichnet und mit erfundenen Skandalberichten geschickt vermischt. Auch hatte er peinliche Affären von Goebbels, die er zum Teil durch meine Mitarbeiter erfahren hatte, ausgeschmückt und in freier Gestaltung wiedergegeben.
      Wenn dem Minister diese Berichte in die Hände fielen, käme es zu einem unvorstellbaren Skandal, und mir bliebe nichts übrig, als aus Deutschland wegzugehen, mir in irgendeinem anderen Land Arbeit zu suchen. Selbst Hitler würde mir da nicht helfen können.
      Was war zu tun? Im «Promi» hatte ich keine Freunde, die verhindern konnten, daß Goebbels die Zeitungen erhielt. Im Gegenteil, mit großer Schadenfreude würde man ihm die Skandalgeschichten so schnell wie möglich vorlegen. Wahrscheinlich hatte Goebbels sie schon erhalten. In dem Brief der Botschaft war in einer Fußnote vermerkt, daß die Zeitungen auch an das Propagandaministerium geschickt würden. Die Katastrophe war nicht mehr aufzuhalten.
      Ich hatte keine ruhige Stunde mehr. Jeden Augenblick rechnete ich mit einer Vorladung ins «Promi». Da erhielt ich eine Einladung nach München zum «Tag der Deutschen Kunst». Sollte ich fahren oder daheim bleiben? Ich wußte, daß ich Goebbels dort treffen würde. Ich war unentschlossen. Die Ungewißheit war aber so unerträglich, daß ich es vorzog, lieber so schnell wie möglich eine Entscheidung herbeizuführen.
      Als ich in München abends an der Festtafel im «Haus der Deutschen Kunst» nach meiner Tischkarte suchte, traute ich meinen Augen nicht - Goebbels war mein Tischnachbar. Was für ein teuflischer Zufall. Weggehen konnte ich nicht mehr, da sich der Saal schon mit Gästen füllte. Erst jetzt bemerkte ich, daß Adolf Hitler und die italienische Botschafterin, Madame Attolico, uns gegenüber plaziert waren. Als rechten Tischnachbarn hatte ich Dr. Dietrich, den Reichspressechef. Ich kam mir vor wie vor einer Hinrichtung.
      Da betrat Goebbels den Saal. Er begrüßte mich eisig und unnahbar. An seinem Ausdruck war nicht erkennbar, ob er die Berichte bereits kannte. Jeden Augenblick rechnete ich mit einer Katastrophe.
      Die italienische Botschafterin mußte irgend etwas Nettes über mich zu Hitler gesagt haben. Beide prosteten mir mit ihren Gläsern zu, wobei ich zu meiner Überraschung sah, daß Hitlers Glas mit Champagner gefüllt war.
      In diesem Augenblick hatte ich eine plötzliche Eingebung. Ich wandte mich an Goebbels und sagte: «Ich muß Ihnen etwas beichten.» Goebbels sah mich mißtrauisch an.
      «Erinnern Sie sich, Doktor», sagte ich mit echtem Schuldgefühl, «Sie haben mich vor Herrn Jäger gewarnt, für den ich mich bei Ihnen so eingesetzt und verbürgt habe.»
      «Und?» unterbrach Goebbels gereizt. In seinen Mienen glaubte ich zu lesen, daß er über Jägers Skandalgeschichten nicht informiert war.
      Ich atmete auf und sagte so leise, daß die anderen es nicht hören konnten: «Es ist etwas Schlimmes passiert - Herr Jäger hat in Hollywood unglaubliche Skandalgeschichten über mich publiziert - haben Sie diese Berichte schon gelesen?» Erregt wartete ich auf seine

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