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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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im übrigen eignete sich dieses brillante Bühnenstück überhaupt nicht für den Film. Ich empfand es als einen Stilbruch. Jannings schien gekränkt zu sein.
      «Wie meinen Sie das?» fragte er mich. Vorsichtig versuchte ich ihm meine Ansicht klarzumachen. Mein Hauptargument war, daß die Einstellung des Publikums im Kino eine andere ist als im Theater. Im Kino ist der Besucher - anders als im Theater - ziemlich verwundert, wenn die Leinwand eine Bauernstube zeigt, auf der «in im Bett liegender, sich schneuzender dicker Dorfrichter den Mund aufmacht und dann in Versen redet. Jannings war noch immer nicht überzeugt, er warnte mich, «Penthesilea» zu verfilmen.
      «Es ist schwierig», sagte er, «Sie werden daran scheitern, es ist und bleibt ein Bühnenstück und wird nie ein Film.»
      «Nein», sagte ich, «die ‹Penthesilea› auf der Bühne ist ein Stilbruch. Amazonen und Pappferde, was für ein Kitsch! Dieser Stoff kann nur im Film gestaltet werden. Wenn schon auf der Bühne, dann könnte es als Sprechstück, von guten Schauspielern gesprochen, ein Erlebnis sein. Ich habe eine ganz andere Vision der ‹Penthesilea›. Die Sprache von Kleist sollte im Film durch Musik und die Klagesänge der Amazonen-Priesterinnen so vorbereitet werden, daß die Verse für uns so natürlich klingen wie die Sprache in Prosa.»
      Jannings lachte und sagte: «Sie beginnen mich zu überzeugen.» Und auf einmal war er Feuer und Flamme, er wollte immer mehr wissen, bis ich ihm beinahe das ganze Drehbuch, das vorläufig allerdings nur in meinem Kopf existierte, erzählt hatte.
      Die Nacht verging, es war schon fast Sonnenaufgang, als Jannings ging. Er torkelte leicht; er hatte zwei Flaschen Wein und einige Schnäpse getrunken. Zum Abschied sagte ich: «Lieber Freund, wenn ich die ‹Penthesilea› überleben sollte und wir beide noch gesund sind, dann machen wir gemeinsam einen Film unseres geliebten Kleist, den «Michael Kohlhaas›.»
      Um das Drehbuch in Ruhe schreiben zu können, hatte ich mir in Kämpen auf Sylt ein strohbedecktes Häuschen gemietet. Meine Mutter, meine Sekretärin und vor allem «Märchen», meine Schimmelstute, die mein Reitlehrer in dem Gestüt von Hannover gekauft hatte, kamen mit. Ich wollte mein Reittraining auf der Insel fortsetzen.
      Wir hatten prachtvolles Sommerwetter, und alles sah so erfreulich aus - meine Wünsche schienen sich zu erfüllen. In Begleitung von Margot von Opel, die ein Haus auf der Insel besaß, ritt ich jeden Morgen schon bei Sonnenaufgang aus. Das Reiten in den Nordseedünen war ein Traum, bis mich eines Tages «Märchen» abwarf und ich in einem Dornbusch landete. Das war nicht zum Lachen: Im Hinterteil steckten unzählige lange Dornen, so daß meine Freundin viel Zeit brauchte, sie alle herauszuziehen.
      Nach dem Reiten absolvierte ich meine «Amazonengymnastik» und arbeitete danach am Drehbuch. Nie war mir eine Arbeit so leicht gefallen. Die Szenen standen mir alle klar vor Augen, ich brauchte sie nur niederzuschreiben.
      Für die Spielszenen wünschte ich mir Jürgen Fehling als Regisseur. Er war damals unbestritten einer der großen Theaterregisseure Deutschlands und brachte bei Gründgens im Preußischen Staatstheater am Gendarmenmarkt, damals die erste Bühne Deutschlands, hervorragende Inszenierungen heraus. Ich hatte ihm geschrieben und erwartete mit Spannung seine Antwort. Er telegrafierte:
      «Ich springe mit aufs Pferd, Fehling.» Was für ein Glück - ich jubelte. Bald kam er angereist. Da ich keine Erfahrungen als Bühnenschauspielerin hatte, flößte er mir großen Respekt ein, ich kam mir wie eine Anfängerin vor. Mit der Zusammenarbeit zwischen uns war es nicht so einfach. Immer wieder lenkte er von unseren Gesprächen ab, besonders gern sprach er über sexuelle Anomalitäten, die er behauptete erlebt zu haben. Ich dagegen war ausschließlich auf meinen Film fixiert. Mich störte auch an ihm, daß er in wenig schöner Weise die Fähigkeit von Gründgens als Schauspieler und Intendant herabsetzte. Sein Urteil über Gründgens war so vernichtend, daß ich es charakterlos fand, trotzdem gemeinsam mit ihm zu arbeiten. Fehling, so genial er als Bühnenregisseur war, blieb mir menschlich fremd. Bald wurde ich unsicher, ob es mit uns beiden auf die Dauer gutgehen würde.
      Andererseits konnte ich mir keinen besseren Regisseur als ihn vorstellen. Aus diesem Grunde bemühte ich mich, vieles zu überhören. Was die Besetzung der Rollen betraf

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