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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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die Schüsse kamen. Noch ehe ich wußte, was geschehen war, meldete ich mich bei Reichenau, um gegen das undisziplinierte Verhalten der Soldaten zu protestieren. Erst hier erfuhr ich, was sich inzwischen Schreckliches ereignet hatte. Der Schuß eines Luftwaffen-Offiziers hatte eine Panik ausgelöst, durch die eine sinnlose Schießerei entstand. Soldaten hatten in die davonrennenden Polen geschossen. Sie nahmen an, unter ihnen befänden sich die Leute, die das Massaker verübt hatten.
      Mehr als dreißig Polen fielen dieser unsinnigen, vom Zaun gebrochenen Schießerei zum Opfer. Vier deutsche Soldaten wurden verwundet. Reichenau war empört und von Abscheu erfüllt, wie wir alle. Er sagte, eine solche Schweinerei sei in der deutschen Armee noch nie vorgekommen, die Schuldigen würden vor ein Kriegsgericht gestellt.
      Dieses Erlebnis hatte mich so mitgenommen, daß ich den General bat, meine Filmberichtertätigkeit niederlegen zu dürfen. Er zeigte volles Verständnis. Sobald als möglich wollte ich nach Berlin zurück. Während meine Mitarbeiter ihre Arbeit als Kriegsberichter fortset zen wollten, saß ich schon in einem Geländewagen, begleitet von dem Kameramann Knuth, der auch nicht in Konskie bleiben wollte. Wir fuhren zur Heeresgruppe Süd. Dort bot sich uns die einzige Gelegenheit, in den Westen zu gelangen. Eine Militärmaschine, mit Ziel Danzig, nahm uns mit.
      Es war eine Heinkel in mit Platz für fünf Personen. Ich lag auf einem ausgerollten kleinen Teppich neben dem Piloten in einer durchsichtigen Kanzel. Hinter mir Knuth und der Bordmechaniker.
      Wir befanden uns noch im Kriegsgebiet. Unsere Maschine wurde von feindlicher Flak heftig beschossen. In den Flügeln des Flugzeugs waren die Einschläge zu sehen. Das Krachen der Geschosse wurde immer stärker. Plötzlich stürzten wir senkrecht nach unten, der Erde zu. Aufregende Schrecksekunden. Ich erinnere mich noch an den angespannten Ausdruck des Piloten und, als ich mich umsah, an den hinter mir sitzenden Kameramann, der sich mit angstverzerrtem Gesicht an irgendwelchen Gurten hochzuziehen versuchte.
      Ein Wunder - wir lebten noch. Kein Krachen, kein Flammenausbruch - wir wurden nicht abgeschossen. Der Pilot hatte geistesgegenwärtig zum Sturzflug angesetzt, als unsere Maschine getroffen wurde. Erst wenige Meter über dem Wald fing er sie wieder ab und entkam so dem Flakfeuer. Aber wir waren noch nicht aus der Gefahrenzone - immer wieder wurde auf uns geschossen. Unsere Maschine flog vergleichbar etwa dem Slalom eines Skiläufers und so niedrig, daß wir fast die Baumkronen und Telegrafendrähte streiften, wobei der Pilot Flugrichtung und Höhe ständig wechselte. Mit Udet hatte ich aufregende Flüge erlebt, aber dies war das aufregendste Flugerlebnis meines Lebens.
      Danzig lag in stürmischem Wetter, mehrere Landeversuche auf dem kleinen Flugfeld mißlangen. Schließlich schaffte es der Pilot - allerdings mit einer Bruchlandung. Wir mußten in Danzig bleiben. Es gab noch keine Verkehrsverbindung mit Berlin. Plötzlich wurde verbreitet, Hitler werde erwartet. Nach seiner Ankunft gab er im « KasinoHotel» in Zoppot ein Mittagessen, zu dem ich eingeladen wurde. An Hitlers rechter Seite saß Frau Forster, die Frau des Gauleiters von Danzig, ich links von ihm. An der einfachen Tafel saßen etwa hundert Personen, meist Offiziere.
      Ich benutzte die Gelegenheit, um Hitler von den Vorgängen in Konskie zu berichten. Er war bereits informiert und sagte das gleiche, was ich schon von Reichenau gehört hatte, daß ein solches Vergehen noch nie in der deutschen Armee vorgekommen sei und die Schuldigen vor ein Kriegsgericht gestellt würden.
      Während des Essens erhielt Hitler eine Depesche. Ich hörte, wie er den Inhalt mehrmals halblaut vor sich hersagte. Da ich neben ihm saß, konnte ich einige Zeilen lesen. Das Telegramm war mit den Buchstaben OKH - Oberkommando des Heeres - unterzeichnet und lautete sinngemäß: Man bitte Hitler dringend um sein Einverständnis, endlich mit dem Angriff auf Warschau beginnen zu können. Hitler wandte sich dem Ordonnanz-Offizier zu, der das Telegramm überbracht hatte, und sagte erregt: «Es ist schon das dritte Mal, daß wir die polnische Regierung aufgefordert haben, Warschau kampflos zu übergeben. Solange noch Frauen und Kinder in der Stadt sind, will ich nicht, daß geschossen wird. Ich wünsche, daß wir noch einmal ein Kapitulationsangebot machen und alles versuchen, sie von der Unsinnigkeit ihrer

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