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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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nicht wußte, auch einer der Ärzte von Rudolf Heß. Leichtsinnigerweise blieb ich nicht in München. Sobald die Koliken ausblieben, fuhr ich nach Berlin. Das habe ich oft bereut.
      In der ersten Nacht, die ich in meinem Haus verbrachte, erlebte ich einen heftigen Luftangriff auf Berlin. Zuerst beobachtete ich die unzähligen Scheinwerfer, die wie Geisterhände den Himmel abtasteten, und die roten und gelben Leuchtraketen. Aber dann zog ich meinen Kopf aus dem Fenster zurück, denn ein fürchterliches Krachen setzte ein, als stünde die Flak rings um mein Haus, so nah war der gewaltige Lärm der Geschütze. Mein Haus bebte. Ich glaubte, mich daran gewöhnen zu können, aber das war ein Irrtum, denn die Angriffe wurden immer heftiger, und immer mehr Menschen kamen unter den Trümmern um.
      Auch an der Front wurde verbissen gekämpft. In einer Zeitung las ich über die Gebirgsjäger in Griechenland: Seit Tagen marschierten sie in strömendem Regen über aufgeweichte, uferlose Straßen undkämpften. War Peter dabei oder lebte er nicht mehr? Seit achtzehn Tagen hatte ich kein Lebenszeichen mehr erhalten.
      Meine Ängste waren glücklicherweise unbegründet, denn eines Tages hörte ich im Rundfunk seinen Namen. Ihm war wegen besonderer Tapferkeit beim Durchbruch der Metaxaslinie in Griechenland das Ritterkreuz verliehen worden. Nun wußte ich, daß er noch am Leben war und alle Gefahren überstanden hatte. Es war mein felsenfester Glaube, daß ich sein Schutzengel war. Die lange Trennung vertiefte unsere Gefühle und ließ Streit und Disharmonie verblassen.
      Gesundheitlich ging es mir nach der Behandlung durch den Homöopathen besser. Seitdem ich seine Mittel benutzte, blieben die Anfälle aus. Da kam ein Brief von Peter, in dem er mich zum ersten Mal fragte, ob ich mit einer Heirat einverstanden wäre. Diese Frage überraschte mich nicht, nur hatte ich selbst noch nicht daran gedacht, da ich «heiraten» als eine sekundäre Form des Zusammenlebens ansah. Viel wesentlicher erschien mir, ob zwei Menschen sich so lieben, daß sie ein Leben lang in Harmonie zusammen sein können. An der Stärke unserer Liebe zweifelte ich nicht, wohl an der Harmonie. Trotzdem war ich zu diesem Zeitpunkt innerlich bereit, Peters Frau zu werden. Aber die Umstände ließen es noch nicht zu: Peter stand vor einem neuen Einsatz, und ich mußte «Tiefland» fertigstellen.
      Da brachte der Rundfunk die sensationelle Meldung des Englandflugs von Rudolf Heß. Ich war gespannt, Näheres darüber zu erfahren. An die Adjutanten konnte ich mich in Kriegszeiten nicht wenden, aber an Frau Winter in München. Sie sagte, Hitler sei vor Enttäuschung und Empörung außer sich, er sei geradezu rasend gewesen. Ich war überzeugt und bin es heute noch, daß Hitler die Absichten von Heß nicht kannte. Aus einem persönlichen Gespräch mit Heß, vor meiner Europa-Tournee, wußte ich, wie sehr er unter seiner undankbaren Aufgabe litt, als «Stellvertreter des Führers» Differenzen und Querelen unter den Parteileuten zu schlichten. Seine hauptsächlich bürokratische Tätigkeit befriedigte ihn nicht. Ihm war keine Aufgabe wie Göring, Goebbels oder Ribbentrop zugefallen. Gern wäre er Außenminister geworden und hielt sich selbst dafür befähigt. Die Arbeit des Herrn Ribbentrop schätzte er nicht. Ich konnte mir daher vorstellen, daß Heß durch eine mutige und nach seiner Überzeugung dem Frieden dienende Mission seinen Führer beeindrucken und ihm den Wert seiner Persönlichkeit beweisen wollte.
      Inzwischen war ein Film-Atelier freigeworden, auch G. W. Pabst hatte seine Arbeiten abgeschlossen. Er war meine ganze Hoffnung. Aber schon am ersten Arbeitstag spürte ich, daß er nicht mehr derselbe war wie vor zwölf Jahren, als wir beim «Piz Palü» so ideal zusammengearbeitet hatten. Seine Persönlichkeit hatte sich verändert. Damals ging von ihm Wärme und Begeisterungsfähigkeit aus, jetzt kam er mir nüchtern und fast kalt vor. Von seinem früher so guten Blick für das Optische war nichts geblieben. Hollywood mußte ihm nicht bekommen sein, seine jetzige Arbeitsweise war routiniert und entsprach mehr den üblichen kommerziellen Filmen. Vergebens versuchte ich, Spuren seiner früher so stark ausgeprägten Originalität zu entdecken.
      Es kam zu Spannungen, die das Arbeiten immer mehr erschwerten und beinahe unmöglich machten. Ich litt unter seiner despotischen Regie so stark, daß ich kaum noch spielen konnte. Unsere Zusammenarbeit

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