Memoiren 1902 - 1945
Waffe einen tödlichen Unfall erlitten. Ich war erschüttert. Nun begriff ich, warum er mich angerufen hatte. Es war ein Abschied für immer. Verzweiflung mußte ihn in den Tod getrieben haben. Ich erinnerte mich an einige Gespräche mit ihm, die mich ahnen ließen, warum er keinen anderen Ausweg sah. Er war ein wunderbarer Kamerad, und wir alle liebten ihn, auch er war eines der unzählbaren Opfer dieses entsetzlichen Kriegs. Nur seine engsten Freunde wußten, daß Udet freiwillig aus dem Leben geschieden war. Er hatte sichin seiner Berliner Wohnung erschossen.
Wenn ich mit Udet in den letzten Jahren auch nicht mehr sooft wie früher zusammenkam, war unsere Freundschaft doch unverändert geblieben. Er hatte einige Male mit mir über seine Probleme ge
sprochen. Besonders hatte er sich darüber beklagt, daß er niemals mit Hitler allein zusammentreffen konnte, um mit ihm über den Stand der Produktion für die Luftwaffe und die damit verbundenen Probleme zu reden. Immer war Göring dabei, der, wie Udet sagte, Hitler nie wahre Angaben über die Produktionszahlen machte, sondern immer mit höheren Stückzahlen jonglierte, als tatsächlich produziert wurden. Auf diese Weise sei Hitler getäuscht worden, was zu verheerenden Folgen führte, erklärte er mir in einem solchen Gespräch. Gegen Göring sei er machtlos, und ein Alleingang zu Hitler verbiete ihm, wie er mir einmal gestand, seine Offiziersehre. Ich selbst konnte mir kein Bild über Göring machen, da ich in den zwölf Jahren des Dritten Reiches nur ein einziges Mal mit ihm gesprochen habe, nach meinem Besuch bei Mussolini, als er mich zu sich bat.
Udet muß unter dieser Situation sehr gelitten haben. Anders als in früheren Zeiten, in denen man ihn nur als fröhlichen und vor Leben sprühenden Menschen kannte, hatte er sich sehr verändert. Er war ernst geworden, sein Humor wirkte nicht mehr überzeugend. Im Kreise seiner Freunde hatte er nie einen Hehl daraus gemacht, daß ihn seine Berufung zu einem «Generalluftzeugmeister» nicht sehr glücklich gemacht habe. Udet war alles andere als ein Büromensch. Als er sich das Leben nahm, war er erst fünfundvierzig. Sein Tod und die Umstände seines Todes hat uns zutiefst erschüttert.
Carl Zuckmayer hat in seinem Schauspiel «Des Teufels General» Udets Charakter zutreffend gezeichnet, aber die Motive darin, die Udet zum Freitod trieben, sind Dichtung. Udet war nicht, wie Zuckmayer es darstellt, ein Opfer der Gestapo, auch ist es falsch, ihn als Hitlergegner zu stilisieren. Er gehörte allerdings nicht zu Hitlers kritiklosen Bewunderern, hatte aber doch, wie er mir selbst erzählte, großen Respekt vor ihm. Er hätte es verdient, von einem bedeutenden Schriftsteller, wie Zuckmayer es ist, eine realistische Darstellung seiner Tragödie zu erfahren.
Ein böser Traum
D er Krieg fraß sich immer weiter. Die deutschen Truppen hatten große Teile Europas besetzt, sie beschossen Leningrad und waren bis zur Halbinsel Krim vorgedrungen - sie standen 30 Kilometer vom Zentrum Moskaus entfernt. In Asien kämpften die Japaner gegen Amerikaner und Engländer, die Kriegsschauplätze reichten von Singapur über Hongkong bis Borneo, und in Nordafrika stand Rommels Armee im Kampf gegen die Briten. Der Krieg war zu einem riesigen Steppenbrand geworden, der sich über den ganzen Erdball verbreitet hatte.
Immer stärker bekamen wir die Härte des Krieges zu spüren, die unaufhörlichen Luftangriffe, die Nacht für Nacht heulenden Warnund Entwarnungssirenen, die vollständige Verdunklung des ganzen Landes, die Rationierungen, nicht nur von Lebensmitteln, sondern von allem und jedem, was ein Mensch zum Leben braucht.
Trotzdem fanden noch Theateraufführungen und Kinopremieren statt, die ich aber nicht mehr besuchte. Ich hatte mich von allem, auch von meinen Freunden zurückgezogen. Mein Denken und Fühlen war ausschließlich auf Peter und sein Schicksal gerichtet. Ich vernachlässigte meine Umgebung, hatte kaum noch Verbindung mit meinen Eltern, obgleich sie mir so viel bedeuteten und ich meine Mutter abgöttisch liebte, auch nicht zu meinem Bruder, der mir seit meiner Jugend sehr nahe stand. Ich hatte nur noch die Verpflichtung, den «Tiefland»-Film zu beenden. Meine Krankheit schien ausgeheilt zu sein, und so konnte ich endlich mit Harald Kreutzberg, der in Seefeld sein Tanzstudio hatte, die spanischen Tänze einstudieren, die meine Rolle als Zigeunermädchen vorsah. Die Arbeit mit Kreutzberg war für mich
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