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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Fronteinsatz. Im Frankreichfeldzug hatte er das EK I. erhalten, wurde leicht verwundet und verbrachte gerade in Mittenwald seinen Urlaub.
      Obgleich Peter Jacob für die Aufnahmen noch nicht gebraucht wurde, kam er täglich auf das Gelände. Ich wechselte kein Wort mit ihm. Als er im Gasthof an unseren Abendmahlzeiten teilnahm und Fühlung zu unseren Mitarbeitern suchte, ließ ich mir mein Essen auf das Zimmer bringen und ging auch nicht mehr in die Gaststube hinunter. Meine Leute, denen das auffiel, nahmen an, daß mir der junge Mann unsympathisch sei. Das Gegenteil war der Fall - es war eine Flucht. Aber zu lange konnte ich ihm nicht ausweichen. Im Kostüm Minettis sah der Offizier dem Schauspieler aus einiger Entfernung zum Verwechseln ähnlich. Meine Rolle schrieb vor, daß ich hinter ihm auf dem Pferd sitze. Dies mußte oft probiert werden. Das Pferd, durch die vielen Menschen nervös geworden, fing öfter zu steigen an. Ich war froh, als diese Szenen endlich abgedreht waren.
      Hatte ich geglaubt, ich würde den jungen Offizier nun nicht mehr sehen, war dies ein Irrtum. Auch nach den Reitszenen hielt er sich immer in der Nähe der Aufnahmeplätze auf. Er hatte sich inzwischen mit einigen meiner Mitarbeiter angefreundet und saß jeden Abend mit ihnen in unserer Gaststube. Als ich erfuhr, daß er sich in unserem Haus sogar ein Zimmer gemietet hatte, wurde ich zornig. Aufdringlichkeit verstärkte nur meinen Widerstand.
      Mein Mädchen hatte im ersten Stock neben meinem Zimmer die Filmgarderobe zu betreuen. Als ich nach Beendigung der Aufnahmen zu ihr kam, um mich umzuziehen, legte sie den Finger auf den Mund und deutete auf die Couch, auf der in voller Uniform, scheinbar schlafend, Oberleutnant Jacob lag. Mariechen, so hieß das Mädchen, flü sterte mir ins Ohr, sie habe ihm Tabletten gegen Kopfschmerzen gegeben. Ich nahm die Kleider, um mich in meinem Schlafzimmer umzuziehen. Das Mädchen brachte mir noch eine Flasche Mineralwasser ins Zimmer und verabschiedete sich, sie wohnte in einem anderen Haus.
      Da klopfte es an die Tür. Auf meine Frage, wer draußen sei, bekam ich keine Antwort. Es wurde heftiger geklopft. Keine Antwort. Dann wurde stürmisch an die Tür geschlagen. Empört öffnete ich sie ein wenig. Peter Jacob vor der Tür, zwängte seinen Stiefel durch den Spalt, drängte sich durch die Tür, schloß sie ab und hatte nach heftigem Widerstand sein Ziel erreicht.
      Noch nie hatte ich eine solche Leidenschaft kennengelernt, noch nie wurde ich so geliebt. Dieses Erlebnis war so tiefgreifend, daß es mein Leben veränderte. Es war der Beginn einer großen Liebe. Als Peter Jacobs Urlaub endete, konnte ich nicht zählen, wie oft er sich von mir verabschiedete. Es war wie eine Trennung für immer.
      Wir waren mit den Aufnahmen noch nicht fertig, als der Winter endgültig gekommen war. Es blieb kein anderer Ausweg, als im nächsten Sommer die Außenaufnahmen in Krün fortzusetzen. Das kostete nicht nur viel Geld, sondern brachte eine Menge Schwierigkeiten mit sich. So hatte niemand eine Überwinterung dieser großen Dekoration einkalkuliert. Vor allem aber bereiteten uns die Termine der Schauspieler die größten Sorgen. Die meisten gehörten dem Ensemble von Gründgens an, der sie uns erst nach langwierigen Verhandlungen nur noch für die anschließenden Atelieraufnahmen freigab.
      In den Studios von Babelsberg hatten die Architekten Grave und Isabella Ploberger sich mit ihren Bauten selbst übertroffen. Sie waren hinreißend. Besonders eindrucksvoll der Innenhof des Kastells. Er sah so echt aus, daß man glauben konnte, sich in der Alhambra zu befinden. Als wir vor dem ersten Drehtag noch eine Lichtprobe machten, traf vom Propagandaministerium die Mitteilung ein, wir müßten die Filmhallen räumen, sie würden für die kriegswichtigen Filme «Ohm Krüger» und «Der alte und der junge König» gebraucht.
      Konnte es sich um einen Irrtum handeln? Es erschien uns als heller Wahnsinn, diese teuren Bauten abzureißen, ehe noch ein Meter darin gedreht worden war. Sofort versuchte ich Goebbels zu erreichen, erhielt aber keinen Termin. Nur den unzweideutigen Befehl, die von uns gemieteten Atelierhallen müßten auf persönliche Anordnung des Ministers sofort geräumt werden. Dr. Fritz Hippler, Reichsfilmintendant, schickte ihn schriftlich. Die teuren Bauten mußten abgerissen werden. Von Entschädigung kein Wort. Das war ungeheuerlich. Die Rache des «Promi» und seines Herrn, der mich

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