Memoiren 1902 - 1945
wurde immer unerträglicher - ich sah keinen anderen Ausweg mehr, als mich von ihm zu trennen. Ein Zufall kam mir zu Hilfe, Pabst wurde von Goebbels, seinem neuen Gönner, zu einem anderen Film abberufen.
Nun hatte ich neben meiner Aufgabe als Darstellerin auch Regie zu führen, aber es ging leichter als gedacht. Die Aufnahmen fielen so aus, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Meine Mitarbeiter lebten auf, und die bedrückende Atmosphäre wich einem angenehmen Arbeitsklima. Aber als ich kurz vor der Beendigung der Atelieraufnahmen wieder von heftigen Koliken heimgesucht wurde, mußte abermals ein anderer Regisseur engagiert werden. Glücklicherweise kam uns Arthur Maria Rabenalt zu Hilfe. Er war das Gegenteil von Pabst. Mit großem Einfühlungsvermögen, ruhig und fast sanft, führte er mit einem Lächeln auch so schwierige Schauspieler, wie es Minetti war. Seine Arbeit war für mich eine wichtige Erfahrung. Ich konnte viel von ihm lernen, besonders was die Führung von Schauspielern betraf. Unglücklicherweise wurden auch diesmal die Atelieraufnahmen nicht beendet. Die große Halle, die wir für unseren Kastellbau benötigten, stand uns nicht zur Verfügung.
Vor unserer Übersiedlung nach Krün erlebte Berlin einen schweren Luftangriff. Schon nach wenigen Tagen kamen die Engländer wieder. Die Angriffe wurden immer heftiger.
Da gab es für mich eine freudige Überraschung - ein Telegramm! Peter hatte Urlaub bekommen, wir hatten beide nicht damit gerechnet. Es war eine Anerkennung seiner Teilnahme an den schweren Kämpfen in Griechenland und seines erfolgreichen Stoßtruppunternehmens, für das er das Ritterkreuz erhalten hatte, vor allem aber auch, weil er nach Rußland an die Eismeerküste bei Murmansk abkommandiert werden sollte.
Ein Urlaub, wie wir ihn uns so sehnsüchtig gewünscht hatten, wurde es wieder nicht. Ich konnte mich von meinen Belastungen nicht freimachen. Produzentin, Regisseurin und Darstellerin, das war zuviel. In dieser Zeit habe ich diesen Film verwünscht. Peter zeigte Verständnis für meine Arbeit, aber wir mußten für unsere Liebe große Opfer bringen.
Und dann kam unverrückbar der Tag, der uns, wie Hunderttausende jeden Tag in dieser Zeit, wieder trennte. Auf unbestimmte Zeit und in der Ungewißheit eines Wiedersehens. Wir schieden als zwei Menschen, die in diesen kurzen Wochen erlebten, wie ihre Liebe sich vertieft hatte.
Arbeit war der beste Trost. In den Dolomiten standen uns die Aufnahmen mit dem Wolf bevor. In unserer Not hatten wir uns einen ungezähmten aus dem Leipziger Zoo geholt, ein großes, wild aussehendes Tier. Wir waren alle gespannt, wie es sich vor der Ka
mera benehmen würde. Der Wolf erwies sich als zu zahm. Was wir auch versuchten, er fletschte nicht die Zähne und war sanft wie ein Lamm. Und eines Morgens war der Zwinger leer, der Wolf verschwunden. Er hatte sich in den steinigen Erdboden einen Tunnel gegraben. Eine schlimme Sache, denn so sanft er mit uns umgegangen war, so gefährlich konnte ihn Hunger machen. Es begann eine Suche nach ihm. Dann wurde uns mitgeteilt, man hatte ihn erschießen müssen, weil er sich nicht fangen ließ.
«Tiefland» ohne Wolf - das ging nicht, den Film abbrechen ebensowenig. Hilfesuchend wandten wir uns wieder an Grzimek. Er empfahl uns lakonisch, ein Jahr zu warten, bis «Katja», sein junger Wolf, erwachsen wäre.
Die «Tiefland»-Odyssee war noch lange nicht zu Ende.
Peter und ich
I n Berlin spürte ich den Krieg wieder hautnah. Die Luftangriffe der Engländer hatten schwere Schäden angerichtet, aber noch immer gingen die Menschen ihrer Arbeit nach, wenn auch Bahnlinien zerstört waren und sie weite Wege zu ihrem Arbeitsplatz zurücklegen mußten. Mein Haus, das ich so liebte, war noch nicht zerbombt. Noch bevor ich ans Auspacken ging, schloß ich mich in mein Schlafzimmer ein, um dort ungestört das Bündel Feldpostbriefe zu lesen, das ich vorfand. Seit unserer Trennung in Mittenwald hatte ich noch kein Lebenszeichen von Peter erhalten. Seine Briefe hatte ich mir aus Furcht, sie könnten verlorengehen, nicht nachsenden lassen.
Peters Briefe waren für mich Medizin. Sie übten eine so starke Wirkung aus, daß sie immer wieder meine Angst, wir könnten uns verlieren, verdrängte. Peter schrieb:
10. September 1941
Liebe, liebe Leni, jetzt bin ich schon wieder acht Tage auf dem Meer. Ich merke deutlich, wie furchtbar schwer es für mich ist, wenn ich so ganz ohne Verbindung mit Dir
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