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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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geworden war, durfte ich mein Elternhaus verlassen. Ich nahm mir in der Fasanenstraße, in der Nähe des Kurfürstendamms, eine kleine Wohnung. Ich blieb aber mit meiner Mutter in fast täglichem Kontakt. Es war die Zeit, in der wir die Stoffe für meine Kostüme einkauften. Sie wußte von meinen Beziehungen zu Otto Froitzheim und war darüber ziemlich unglücklich, vor allem wegen des großen Altersunterschieds. Von seinem nicht gerade bürgerlichen Leben war ihr nichts bekannt. Sie war immer meine beste Freundin, auch, wenn ich ihr nicht alles erzählen konnte.
      Als sie mich einmal nicht begleiten konnte, im Februar 1924, sprang meine Freundin Hertha für sie ein. Es ging um Tanzabende in Zürich, Paris und London. Harry Sokal, der noch immer die Hoffnung nicht aufgegeben hatte, mich zu erobern, wollte sich mit mir in Zürich treffen. Als ich in mein Hotelzimmer kam, fand ich ein Blumenmeer vor. Sokals Empfangsgrüße. Ich fragte mich, warum man mir kein Doppelzimmer mit Hertha gegeben hatte und weshalb sie eine Etage tiefer wohnte. Noch überraschter war ich, daß Sokals Zimmer direkt neben meinem lag - ein Gedanke, der mir nicht angenehm war. Aber an unserem ersten Abend erwiesen sich meine Befürchtungen als Irrtum, Sokal verhielt sich korrekt.
      An zwei Abenden, im Februar 1914, hatte ich Gastspiele im Züricher Schauspielhaus zu absolvieren. Meine Auftritte fanden im Wechsel mit Tolstois Stück «Der lebende Leichnam» statt: Alexander Moissi in der Hauptrolle, ein begnadeter Schauspieler. Wir verstanden uns sofort sehr gut. Als ich eines Abends, den wir zusammen verbracht hatten, verspätet ins Hotel kam und mich schon ausgezogen hatte, klopfte es an der Tür. Es war Sokal, der um Einlaß bat. Ich wies ihn ab.
      «Ich bin müde», sagte ich, «und ich möchte so spät in der Nacht keinen Mann in mein Zimmer lassen.»
      Er klopfte heftiger: «Ich muß dich unbedingt sprechen, unbedingt», sagte er mit erregter Stimme.

  «Morgen», sagte ich, «morgen nach dem Frühstück.» Dann war einen Augenblick lang Ruhe.
      Plötzlich aber schlug er mit den Fäusten an die zwischen uns liegende Zimmerwand und schrie: «Ich halte es nicht mehr aus», dann leiser werdend und bittend:
      «Komm in mein Zimmer, ich tu dir nichts, ich möchte dich nur einmal allein bei mir haben.» Fast empfand ich Mitleid mit ihm. Ich versuchte, ihn zu beruhigen.
      «Sei vernünftig, Harry - ich kann nicht zu dir kommen - ich würde dich nie glücklich machen können.»
      Er weinte, schrie und drohte, er würde sich erschießen, und redete lauter schreckliche Sachen. Ich bekam Angst, zog mich blitzschnell wieder an, verließ mein Zimmer und rannte die Treppe hinunter zu Hertha, die mir verschlafen die Tür öffnete. Erst am nächsten Mittag wagten wir, das Zimmer zu verlassen, und erfuhren zu unserer
großen Erleichterung, daß Sokal abgereist war. Der Concierge überreichte mir einen Brief. Sokal entschuldigte sich für sein gestriges Verhalten. Er wolle auf keinen Fall meine Freundschaft verlieren und versprach, mich nicht noch einmal so zu belästigen. Er wollte, schrieb er, einzig und allein mir nur Freude bereiten, und darum habe er auch die Tanzabende in Paris und London arrangiert.
      Ich war sprachlos. Ich hatte keine Ahnung, daß die Angebote aus Paris und London von ihm organisiert und wahrscheinlich auch finanziert waren. Tief enttäuscht ließ ich den Brief fallen. Noch hatte keine deutsche Tänzerin nach dem Ersten Weltkrieg in Paris einen Tanzabend gehabt. Ich war so stolz, so glücklich gewesen, als ich die Angebote erhielt - und nun diese Enttäuschung! Ich hatte keine Lust mehr, in Paris und London aufzutreten. Als ich den Brief aufhob und zu Ende las, wurde mir klar, daß ich das nie mitmachen könnte. Sokal schrieb weiter:
      «Da du keine Garderobe hast, um in solchen Weltstädten standesgemäß aufzutreten, veranlaßte ich, daß dir heute entsprechende Garderobe ins Hotel geschickt wird. Du kannst dir auswählen, was dir gefällt.»
      In diesem Augenblick läutete es an der Türe meines Zimmers, und ein Bote brachte zwei Arme voll Pelzmäntel herein. Hertha unterschrieb die Quittung für zwei Nerzmäntel, einen Hermelin und einen sportlichen Leopardenmantel, mit schwarzem Leder verarbeitet. So verführerisch diese fabelhaften Pelze waren, ich empfand das Ganze als eine Ohrfeige. Zu schön wäre es gewesen, in Paris und in London zu tanzen, solche Pelze zu besitzen, aber was sollte mich

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