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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Kinos.

    Berlin - eine Weltstadt

    U m so mehr ging ich in russische und amerikanische Filme - kaum einen habe ich versäumt. Dabei begann ich, mich auch für die Technik zu interessieren, vor allem die der Fotografie. Mir waren in den Hollywoodfilmen die Nahaufnahmen der weiblichen Stars aufgefallen, die trotz brillanter Schärfe weich und schmeichelhaft waren. Um denselben Effekt zu erzielen, hatte ich mit Schneeberger im Garten von Dr. Fancks Haus verschiedene Probeaufnahmen gemacht, mit Weichzeichnerlinsen und mit Tüll, das Resultat war nicht zufriedenstellend. Ich schrieb an amerikanische Kameraleute in Hollywood, und es gelang mir, eine solche Porträt-Optik zu kaufen, mit der wir dann dieselben Effekte erzielten.
      Da Schneeberger zwar ein ausgezeichneter Kameramann für Außenaufnahmen war, aber keine Erfahrung im Atelier hatte, bemühte ich mich mit Erfolg, ihn als Assistenten bei der UFA unterzubringen. Dort hatte er das Glück, bei Walter Rittau, einem der besten Kameraleute der Zeit, zu lernen und sein Assistent zu werden.
      Inzwischen lernte ich immer mehr Film- und Theaterleute kennen. Alles was Rang und Namen hatte, konnte man in Berlin treffen. Die Stadt war erfüllt von Leben. Fast täglich gab es Premieren, Feste und Einladungen. Einmal wöchentlich trafen sich viele Künstler bei Betty Stern in der Nähe vom Kurfürstendamm. Ihre Räume waren immer so überfüllt, daß man nirgends sitzen konnte. Dort lernte ich auch Elisabeth Bergner und ihren Mann Paul Czinner kennen. Die Bergner wurde in Berlin geliebt und verehrt wie keine zweite Schauspielerin nach Käthe Dorsch. Sie war in der Tat eine Zauberin. Ihre «Heilige Johanna» von Shaw, die sie unter Reinhardts Regie im Deut
schen Theater spielte, wird niemand, der sie gesehen hat, je vergessen können. Zu Betty Stern kam auch der russische Regisseur Tairow, der ebenso wie Max Reinhardt und Dr. Fanck die «Penthesilea» mit mir machen wollte. Es war aber noch die Zeit des Stummfilms, und «Penthesilea» ohne die Sprache von Kleist konnte ich mir nicht vorstellen. Neben der Bergner traf ich noch andere große Schauspielerinnen, so die dämonische Maria Orska, die in «Lulu» einen großen Erfolg hatte, oder Fritzi Massary und ihren Mann Max Pallenberg, ein unvergleichliches Paar in ihren spritzigen Operetten. Originell, geistvoll und brillant war auch das Gastspiel des russischen Kabaretts «Der blaue Vogel».
      Ein Vergnügen ganz besonderer Art bereitete mir das Auftreten Josefine Bakers im «Nelson-Theater» am Kurfürstendamm. Dort zeigte sie ihren später so berühmt gewordenen Bananentanz. Stürmisch feierten die Berliner die junge, kaffeebraune Schönheit. Auch die unsterbliche Anna Pawlowa kam nach Berlin. Ich hatte das Glück, sie nicht nur auf der Bühne zu sehen, auf der ich sie als «Sterbender Schwan» erlebte, ich konnte sie, in der ich die größte aller Tänzerinnen sah, auf dem Berliner Presseball auch persönlich kennenlernen. Sie wirkte so zart und zerbrechlich, daß ich kaum wagte, ihre Hand zu berühren.
      In dieser Zeit sah ich den Film, der alle bisher gesehenen Filme in den Schatten stellte: «Panzerkreuzer Potemkin» von Sergej M. Eisenstein. Als ich das Kino am Kurfürstendamm verließ, war ich wie betäubt. Die Wirkung war ungeheuer, Technik, Fotografie und Personenführung revolutionär. Zum ersten Mal wurde mir bewußt, daß Film auch Kunst sein könnte.

    «Die weiße Hölle vom Piz Palü»

    D r. Fanck sagte mir, daß er an einem neuen Stoff arbeite. Eine Zeitungsnotiz hatte ihn dazu angeregt: Ein Drama in den Bergen nach einer wahren Begebenheit. Er schrieb Tag und Nacht. Wieder war Harry Sokal der Produzent, und in dem Film sollte auch ich eine gute Rolle bekommen. Wenn ich auch viel lieber mit einem Spielfilm-Regisseur gearbeitet hätte, mußte ich froh sein, wieder filmen zu können. Dies verstand Sokal, und er versuchte, mich finanziell zu erpressen. So bot er mir eine Gage an, die nur zehn Prozent der Summe betrug, die ich bisher für jede meiner Rollen erhalten hatte. Für zweitausend Mark sollte ich sieben Monate lang zur Verfügung stehen, davon fünf Monate für schwerste und gefährlichste Aufnahmen in Schnee und Eis! Bisher hatte ich für jede Rolle 20 000 Reichsmark erhalten. Aber Sokal wollte sich an mir rächen. Er hat mir nie verziehen, daß ich ihn als Liebhaber und Heiratskandidaten abgewiesen habe. Als Darstellerin wollte er trotzdem auf mich nicht verzichten. Er wußte, daß er niemand

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