Memoiren 1902 - 1945
finden würde, der diese gefährlichen Szenen ohne Double spielte und gleichzeitig skilaufen und klettern konnte. Empört lehnte ich Sokals Angebot ab.
In dieser Zeit lernte ich G. W. Pabst kennen, einen Regisseur, den ich verehrte. Jeden seiner Filme hatte ich mir mehrmals angeschaut. Wir hatten sofort miteinander Kontakt und verstanden uns blendend. Ich hatte nur einen Wunsch: Unter seiner Regie zu spielen. Da kam mir eine ziemlich verrückte Idee. Sollte es mir gelingen, Sokal und Fanck dazu zu bringen, daß Pabst in dem neuen Fanckfilm die Spielregie bekäme und Fanck nur die Natur- und Sportaufnahmen übernähme, wäre dies eine fabelhafte Kombination. In seinem Metier von Naturfilmen war Fanck unschlagbar, aber die Darsteller vernachlässigte er.
Pabst schätzte Dr. Fanck und war bereit, auf diese Zusammenarbeit einzugehen. Die Sache war weniger schwierig, als ich gedacht hatte. Fanck erfüllte mir immer noch jeden nur möglichen Wunsch, und Sokal war intelligent genug, um zu erkennen, daß diese Zusammenarbeit für das neue Filmprojekt, das den Titel «Die weiße Hölle vom Piz Palü» haben sollte, ein großer Gewinn wäre. Da ich mich weigerte, für zweitausend Mark die Rolle zu übernehmen, erhöhte Sokal meine Gage auf viertausend, dies allerdings auf Kosten Fancks, dem er diesen zusätzlichen Betrag von seinem Honorar abzog. Niemand verriet mir das. Erst viel später habe ich es von Fanck erfahren.
Ein Zufall machte es mir möglich, diesen Film sensationell zu bereichern. Bei strömendem Regen stand ich vor dem Film-Atelier in der Cicerostraße, nahe dem Kurfürstendamm, und wartete auf ein Taxi. Da kam ein kleiner Herr auf mich zu und bot mir seinen Schirm an.
«Sind Sie Fräulein Riefenstahl?»
«Ja - und», ich sah ihn fragend an.
«Ich bin Ernst Udet», sagte er fast schüchtern. «Darf ich Sie nach Hause fahren?»
«Wie nett von Ihnen, sehr gern.» Ich war vor Freude ganz aufgeregt, denn Ernst Udet war ein Begriff, wer kannte nicht den besten Kunstflieger der Welt? Er nahm meine Einladung zu einem Cognac an. Unsere Unterhaltung wurde immer lebhafter, so als kannten wir uns jahrelang. Da kam mir eine verrückte Idee. «Würden Sie nicht gern mal bei einem Film mitmachen und Ihre Kunststücke auch in den Bergen vorführen? Zum Beispiel eine Rettung von Menschen,
die sich in Bergnot befinden?»
«Das wäre prima», sagte Udet mit strahlenden Augen. Er hatte inzwischen schon einige Cognacs intus.
«Gut», sagte ich, «ich mache Sie mit Dr. Fanck bekannt. Der schreibt gerade einen Filmstoff, in den Sie mit Ihren Kunstflügen gut hineinpassen würden.»
So kam Ernst Udet zum Film. Ein Glück für den Film, aber für mich der Beginn einer privaten Tragödie.
Auch Schneeberger lernte Udet kennen. Er war von ihm so begeistert, daß sich zwischen beiden Männern in kurzer Zeit ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte. Für Schneeberger war Udet der große Held, der im Weltkrieg im Richthofengeschwader als erfolgreichster deutscher Jagdflieger alle nur denkbaren Auszeichnungen erhalten hatte. Der Österreicher Schneeberger hatte als junger Leutnant im Gebirgskampf gegen die Italiener die Goldene Tapferkeitsmedaille bekommen. So wurden sie bald richtige Kumpels.
Erni, wie wir Udet gern nannten, amüsierte es, daß wir wie Kletten aneinanderhingen. Kaum waren Schneefloh und ich nur einige Stunden voneinander getrennt, ging ein Telefonieren los. Unsere Zuneigung hatte sich in den Jahren immer mehr vertieft - eine Trennung erschien uns undenkbar. Deshalb hatte auch kein anderer Mann die geringste Chance bei mir, obgleich ich genügend Verehrer hatte. Udet blieben so tiefgehende Gefühle unverständlich. Er war im Gegensatz zu uns ein Lebemann, der sich gern und viel mit schönen Frauen umgab, das Leben von der leichten Seite nahm und es auch so genoß. Im Luxusrestaurant «Horcher» war er Stammgast - in jedem guten Nachtlokal war er bekannt. Er trank gern und viel, war immer lustig und voller Humor. Er erzählte, er sei mit Göring zusammen in der berühmten Richthofenstaffel geflogen, was ihn veranlaßte, köstliche Karikaturen von ihm zu zeichnen, die er mit treffenden Spottversen versah. Seine Karikaturen waren meisterhaft.
Eines Tages nahm er mich beiseite und versuchte mich ernsthaft davon zu überzeugen, daß das Leben, wie ich es mit Schneefloh führte, das Ende meiner Karriere bedeuten würde. Es sei unentschuldbar, meinte er, daß ich
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