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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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weibliche Hauptrolle durchzusetzen. Er war überzeugt, in Marlene die ideale Besetzung für seine Lola gefunden zu haben, und ich bestärkte ihn darin, da sie auch mir sehr gefiel.
      Eines Tages erhielt ich einen großen Maiglöckchenstrauß, eingebunden in weiße Seidenbänder. Darin eine Karte mit den Worten:
      «Für Du-Du von Jo.»
      Die Maiglöckchen waren der Beginn einer leider nur einseitigen Liebeserklärung Josef von Sternbergs. Ich hätte ihm gern mehr als nur Sympathie und Bewunderung entgegengebracht, denn er war nicht nur ein gutaussehender Mann, sondern auch im Gespräch und im Umgang eine der faszinierendsten Persönlichkeiten, die mir je begegnet sind. Aber die schmerzliche Enttäuschung, die ich mit Schneeberger erlebt hatte, war noch lange nicht überwunden. Sternberg kam fast jeden Abend zu mir in die Hindenburgstraße, und wir aßen dann gemeinsam zu Abend. Oft wurde es spät, bis er wieder aufbrach und mit mir nach Babelsberg fuhr, um mir die Muster seiner Aufnahmen zu zeigen. Er war an meiner Meinung interessiert und hörte sie gern, ehe Pommer das Material zu sehen bekam.
      Der Zufall wollte es, daß Marlene im gleichen Häuserblock wie ich wohnte, die Eingangstür zu ihrem Haus lag in der Hildegardstraße, parallel zur Hindenburgstraße. Ich wohnte im fünften Stock und Marlene im dritten. Von meinem zum Hof gelegenen Dachgarten konnte ich ihr in die Fenster schauen. Aber noch wußte sie nichts von meiner Freundschaft mit Sternberg. Dies hätte ihr auch bei Beginn der Filmaufnahmen kaum etwas ausgemacht, aber bald sollte sich das ändern.
      An den Wochenenden holte mich Sternberg ab, und wir fuhren mit einem Mietauto an idyllische Plätze in die Umgebung Berlins. Das waren poetische und unterhaltsame Stunden. Sternberg war ein glänzender Erzähler. Er nannte mich «Du-Du», niemals Leni, und ich nannte ihn «Jo». Er verwöhnte mich mit den herrlichsten und ausgefallensten Blumen, und ich kam in eine Art Verlegenheit, wie ich ihm danken sollte. Das schönste Geschenk für mich aber war, wenn ich bei seinen Aufnahmen im Atelier zusehen durfte. Es war ein Erlebnis, ihn bei der Arbeit zu beobachten. Mit seinen Schauspielern ging er wie ein Dompteur um, sie hingen alle an seinen Augen.
      An einem solchen Aufnahmetag wurde mir Emil Jannings vorgestellt, der ausnahmsweise einmal gut gelaunt und bereit war, sich mit mir zu unterhalten. Sternberg probte mit Marlene die später so berühmt gewordene Szene, in der sie sitzend, das rechte ihrer schönen Beine bis zur Brust angewinkelt, ihren berühmten, von Friedrich Holländer verfaßten Schlager sang: «Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, denn das ist meine Welt, und sonst gar nichts.»
      Sternberg probte und probte. Es wollte nicht klappen. Marlene schien durch meine Anwesenheit irritiert zu sein, sie hörte nicht hin, was Sternberg zu ihr sagte, und begann, gelangweilt und pikiert, an ihrem Höschen zu zupfen. Dabei setzte sie sich so hin, daß man ungehindert alles sehen konnte, was sie verdecken sollte. Sie tat dies so auffällig, daß man blind hätte sein müssen, um nicht zu sehen, wie sie provozieren wollte. Und Sternberg wurde plötzlich wütend, er schrie sie an: «Marlene, benimm dich!»
      Sie machte nur eine trotzige Bewegung, zupfte ihr Höschen etwas runter, und es wurde weiter probiert. Mir war diese Situation peinlich, und so verabschiedete ich mich von Sternberg.
      Am Abend erzählte er mir, Marlene habe ihm nach Beendigung der Aufnahmen eine scheußliche Szene gemacht und gedroht, sie dächte nicht daran weiterzumachen, wenn ich noch einmal ins Atelier käme. Marlenes Verhalten überraschte mich. Jo hatte mir erzählt, daß sie in ihn verliebt war. Da ich in Sternberg weder verliebt war noch ein Verhältnis mit ihm hatte, hätte mich eine Affäre zwischen ihm und Marlene kalt gelassen. Jo sagte, Marlene bemuttere ihn förmlich und koche sogar täglich für ihn, trotzdem sei sie für ihn nur das Material, aus dem er seine «Lola» gestalten wollte. Um die ohnedies angespannte Atmosphäre, vor allem durch Jannings’ Betragen heraufbeschworen, nicht noch explosiver werden zu lassen, stellte ich weitere Besuche beim «Blauen Engel» im Babelsberger Filmstudio ein.
      Harry Sokal, der sich inzwischen mit der schönen Gräfin Agnes Esterhazy, einem der attraktivsten Stars der Stummfilmzeit, liiert hatte, kam mit einer völlig überraschenden Bitte zu mir: «Möchtest du nicht für zwei bis drei

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