Memoiren 1902 - 1945
Wochen nach Paris gehen, um von der deutschen Version, die Fanck inzwischen von der ‹Weißen Hölle› geschnitten hat, fünfhundert Meter herauszuschneiden? Der Film ist für die französische Version einfach viel zu lang.»
«Du weißt doch, daß ich noch nie einen Film geschnitten habe», sagte ich zu ihm.
«Fanck kann sich von keinem Meter Film trennen. Aber du könntest es, das weiß ich doch», bedrängte er mich. Natürlich reizte es mich kolossal, plötzlich Paris kennenzulernen. Ich traute mir auch zu, den «Piz Palü» zu kürzen.
«Und was kriege ich dafür?» fragte ich.
«Alles frei und dazu noch dreihundert Mark.»
«Du spinnst», sagte ich, und wir begannen zu handeln. Mehr als fünfhundert waren aus ihm nicht herauszuholen. Schließlich sagte ich zu.
In einer Nebenstraße der Champs Elysées gab es einen „kleinen Schneideraum, vis-à-vis eine Pension, in der ich mir ein bescheidenes Zimmer nahm. Als ich dort einzog, fand ich den tristen Raum durch einen herrlichen Blumenkorb verschönt - er kam von Sternberg. Ich hatte keine Ahnung, wie er meine Adresse herausbekommen hatte Wahrscheinlich hatte Sokal sie ihm verraten.
Noch am ersten Abend bummelte ich über die Champs Elysées Was für eine herrliche Straße, schöner als der Kurfürstendamm. Traumwandlerisch bewegte ich mich zwischen den vielen Menschen und bewunderte die kostbaren Auslagen der Geschäfte. Gut, daß ich in dieser fremden Stadt war - sie lenkte mich ab von meinen Problemen.
Das Schneiden machte mir großen Spaß, und es fiel mir überraschenderweise auch leicht. Ich bekam eine Kleberin zur Hilfe, und innerhalb von zehn Tagen hatte ich die gewünschten fünfhundert Meter aus der Kopie herausgeschnitten. Der Film wirkte in dieser Straffung stärker. Sokal war zufrieden, aber Fanck hat mir diesen Eingriff nie verziehen.
Nach meiner Rückkehr nach Berlin wartete Sternberg schon auf mich. Alles war wie vorher, nur fuhr ich nicht mehr nach Babelsberg hinaus.
An einem grauen Novembertag hatte die «Weiße Hölle vom Piz Palü» im UFA-Palast am Zoo Premiere.
Fanck erlebte den größten seiner Erfolge. Und er war auch ein Erfolg für Pabst und für mich. Die Berliner Presse überschlug sich in Lobeshymnen. Auch Zeitungen, die frühere Fanckfilme kritisiert hatten, schrieben: «Nie war ein Film ergreifender, niemals das Miterleben bitterer, nie die Rührung größer als bei diesem Film.»
Auch Sternberg sah ihn sich mit mir an.
«Du bist sehr gut», sagte er, «ich könnte aus dir einen großen Star machen. Komm mit mir nach Hollywood!» Schade, dachte ich. Ich wußte, daß ich diese einzigartige Chance nicht wahrnehmen konnte; ich hatte noch nicht die Kraft, mich von meiner Bindung zu Schneeberger zu lösen.
«Du bist das absolute Gegenteil von Marlene», fuhr Sternberg fort. «Ihr seid ungewöhnliche Geschöpfe, und so, wie ich Marlene verzaubern werde, würde ich auch dich verzaubern. Du bist ja noch gar nicht entdeckt.»
Er sagte noch mehr, aber diese Worte sind mir im Gedächtnis geblieben. Daß ich damals mit Sternberg nicht nach Amerika gegangen bin, habe ich nach Kriegsende oft bereut.
Trotz des Riesenerfolgs, den der «Piz Palü» überall, wo er gezeigt wurde, erzielte, ging es mir finanziell katastrophal. Als ich am ersten Dezember meine Miete nicht zahlen konnte, gestand ich schweren Herzens Sokal, der sein Büro in der Friedrichstraße hatte, meine Lage. Ich bat ihn, mir 300 Mark zu leihen. Nie werde ich vergessen, wie Sokal mich ansah und was er antwortete: «Du bist doch ein hübsches Mädchen, du kannst dir doch dein Geld auf der Straße verdienen.»
Ich war wie versteinert. Was hatte er da gesagt? Es war der Haß eines abgewiesenen Freiers.
«Du ekelst mich an», und ich spuckte vor ihm aus.
Wie oft in meinem Leben, wenn ich einen Tiefpunkt erreicht hatte, geschah etwas Erfreuliches. Diesmal war es ein Brief der AAFA, einer Film-Firma, der Sokal seinen «Piz Palü» für einen Verleih übergeben hatte. Überraschend bot mir die UFA 200 000 RM für die weibliche Hauptrolle im nächsten Fanckfilm «Stürme über dem Montblanc». Das hing gewiß mit den großen Erfolgen des «Piz Palü» zusammen. Und der Erfolg hielt an. Ich wurde nach Paris und London eingeladen, um bei den Premieren anwesend zu sein. Der starke Beifall, den ich überall bei Publikum und Presse fand, ermutigte mich ungemein.
Bevor ich wieder in die weiße
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