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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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war, dieser Nürnberger Polizist wäre der richtige Mann für uns. Ich erzählte das Dr. Fanck. Der nahm mich nicht ernst. Nachsichtig lächelnd sagte er: «Was hat so eine Fotografie schon zu bedeuten - es geht um die Hauptrolle, und was ist dein Mann - ein Beamter! Woher soll er denn schauspielern können?»
      Aber mein Instinkt warnte mich, meinem Regisseur zu glauben. Man könnte doch wenigstens Sepp Rist zu einem Versuch kommen lassen. Leider war Dr. Fanck nicht zu bekehren, er hatte auch schon Verhandlungen mit einem Bühnenstar aufgenommen. Gewiß lag es außerhalb meiner Zuständigkeit, mich da einzumischen, aber da mir nie nur meine eigene Rolle am Herzen lag, sondern immer der ganze Film, fand ich die Vorstellung, eine so alpine Rolle mit einem Bühnenschauspieler zu besetzen, grauenhaft.
      Eigenmächtig, ohne Fanck etwas zu sagen, sandte ich ein Telegramm an die Nürnberger Polizeiverwaltung und bat, mir die Adresse von Sepp Rist mitzuteilen. Nach wenigen Stunden hatte ich sie. Nun ging ich entschlossen vor. Ich schickte Rist ein Telegramm, ob er zu Filmaufnahmen sofort nach Arosa kommen könnte, und unterzeichnete die Depesche mit dem Namen von Dr. Fanck.
      Am nächsten Morgen lag ich auf der Lauer und fing das Antworttelegramm ab:
      «Habe zufällig zehn Tage Urlaub, drahtet, ob Zeit genügt.» Und ohne die Wimper zu zucken, drahtete ich zurück:
      «Bitte sofort kommen, Dr. Fanck.»
      Nun fiel mir ein Stein vom Herzen.
      Der Regisseur war erstaunt über meine Frechheit, als Sepp Rist vor uns stand, das war aber auch alles. Er sagte nur: «Klar, daß du die Auslagen seiner Reise zu bezahlen hast.»
      «Du kannst ihn jedenfalls in seinen zehn Urlaubstagen als Skiläufer benutzen. Er soll über zweihundert Skipreise erhalten haben», war meine Antwort. Dann sah ich mir meinen Schützling erst einmal richtig an. So wie er aussah, wirkte er nicht besonders auf mich, aber mir war klar, daß daran vor allem sein im Militärstil viel zu kurz geschnittenes Haar schuld war. Da er aus der Stadt kam, war er auch noch zu blaß. Aber der Augenausdruck und die Gesichtszüge waren gut.
      Sepp Rist hatte keine Ahnung, was um ihn herum vorging, und daß ich die verwegene Idee hatte, ihn in der Hauptrolle zu sehen. Fanck war noch lange nicht von meiner Vorstellung überzeugt, und die anderen Mitglieder unserer Expedition betrachteten den Neuen mit unverhohlener Mißgunst.
      Bei den Skiaufnahmen fielen Fanck immerhin die harmonischen Bewegungen meines Polizeifunkers auf, und er begann, ihn aufmerksamer zu beobachten. Nachdem Rist schon leicht braungebrannt war, machte ich ein paar Großaufnahmen von ihm und legte die Fotos auf Fancks Suppenteller.
      Nun begann Fanck endlich, sich mit dieser Rollenbesetzung zu befassen. Großer Widerstand kam von Seiten der Produktionsleitung, und Fanck selbst war auch noch unsicher. Ich kämpfte für Rist, als wäre es mein Film - und siegte.
      Nach einer Reihe gut gelungener Proheaufnahmen wurde er für die Hauptrolle verpflichtet. Seine Dienststelle genehmigte eine Urlaubsverlängerung von fünf Monaten. Dr. Fanck bat mich nun, mit Rist nach Innsbruck zu fahren, um ihn für die Rolle einzukleiden. Dort ging ich erst einmal mit ihm zum Friseur, der ihm einen neuen Haarschnitt machte und das Haar aufhellte. So wurde aus dem jungen Polizeibeamten ein gutaussehender alpiner Filmtyp. Was wir alle damals noch nicht wußten: Sepp Rist besaß auch eine große schauspielerische Begabung.
      Nach drei Wochen waren die Skiaufnahmen beendet. Es ging für wenige Tage nach St. Moritz. Dort wartete schon Udet auf uns, der auch in diesem Film wieder dabei war. Ich hatte ihn bei seinen waghalsigen Flügen am Piz Palü oft bewundert, selber aber war ich noch nicht mit ihm geflogen. Heute sollte nun die Premiere stattfinden. Die Flugbedingungen waren alles andere als ideal. Auf dem St. Moritzer See wurde die Eisdecke schon weich, an verschiedenen Stellen war er offen. Ich kletterte in die Maschine, Udets berühmte «Motte». Der kleine silbrige Eindecker mußte sich anstrengen, um uns von der schweren, klebrigen Schneedecke in die Höhe zu heben. Kaum waren wir in der Luft, machte Udet einen Looping, ohne mir vorher etwas zu sagen. Da ich nicht angeschnallt war, glaubte ich, aus der Maschine zu fallen. Ich bekam einen furchtbaren Schreck. Das war Udets Absicht gewesen. Er drehte sich nach mir um und lachte mich aus wie ein Lausbub. Wir mußten dann einige Male ganz

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