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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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ganze Gestalt sehen konnte. Dann sagte er etwas ironisch: «So, so, der Film hat Ihnen gefallen.»
      Einen kurzen Augenblick schien es, er wüßte nicht, was er tun sollte, dann blickte er auf seine Armbanduhr und sagte: «Könnten Sie um 14 Uhr ins Hotel ‹Bristol› kommen, dort könnten wir zusammen essen.»
      Schon eine Stunde vor der Zeit war ich im «Unter den Linden» im Bristol und wartete geduldig. Ich war mir nicht sicher, ob er tatsächlich kommen würde, aber er kam. Noch heute erinnere ich mich an unser Menü: Zartes Rindfleisch mit Wirsing und Meerrettich, eine Spezialität des Hauses.
      Nun erst konnte ich mich vorstellen, aber meinen Namen als Tänzerin und Filmschauspielerin kannte er nicht. Er interessierte ihn auch nicht. Er wollte nur wissen, warum mir sein Film so gut gefallen habe, daß ich ihn sogar mitten in einer für ihn so wichtigen Besprechung aufsuchte. Es war nicht einfach, ihm zu erklären, was ich bei diesem Film empfunden hatte.
      «Ich meine, daß alles in Ihrem Film von einer sehr persönlichen Handschrift geprägt ist», sagte ich zögernd, «und aufgefallen ist mir, daß Sie die Szenen nicht ausspielen lassen, so daß der Zuschauer mit seiner eigenen Phantasie das Gesehene beenden kann.»
      Sternberg zeigte keine Reaktion. Etwas unsicher fuhr ich fort: «Es gefällt mir, daß Sie nie direkt eine Kußszene bringen, sondern sich eine Liebesszene nur entwickeln lassen. Sie deuten die Dinge nur an, und das macht sie, wenigstens wie ich es verstehe, in der Wirkung stärker. Sie lassen vieles weg, dadurch entsteht Spannung. Und noch etwas: Ihre Bildtechnik bringt besondere Atmosphäre hervor, man spürt die Luft in jedem Raum.»
      Hier unterbrach mich Sternberg: «Sie sagen, daß Sie in meinem Film die Luft in den Räumen spüren, das hat noch kein Kritiker bemerkt. Sie haben eine gute Beobachtungsgabe», und ohne ironischen Unterton fuhr er fort: «Sie gefallen mir.»
      Dann begann er über sein augenblickliches Projekt bei der UFA zu sprechen. «Der blaue Engel» sollte der Film heißen, und worum es im Augenblick ging, war die Besetzung der weiblichen Hauptrolle. Fest stand, daß Emil Jannings die männliche spielen würde - den «Professor Unrat» nach dem gleichnamigen Roman von Heinrich Mann, den Carl Zuckmayer und Sternberg für den Film umarbeiten sollten. «Für den weiblichen Star habe ich noch keine Besetzung», sagte er nervös, «man will mir da Damen aufschwätzen, die mir nicht gefallen.» Er machte eine Pause, bestellte beim Ober ein Glas Wasser und fuhr fort: «Aber ich habe kaum noch Hoffnung, meine ‹Lola› zu finden. Die Fotos, die man mir von einer Marlene Dietrich zeigte, sind schlecht.»
      «Marlene Dietrich, sagen Sie? Ich habe sie nur einmal gesehen, sie ist mir aufgefallen. Das war bei Schwanecke, einem kleinen Künstlercafé in der Rankestraße. Dort saß sie mit einigen jungen Schauspielerinnen zusammen. Mir fiel ihre tiefe und rauhe Stimme auf, die eine Spur ordinär wirkte und aufreizend war. Vielleicht war sie etwas beschwipst. Ich hörte, wie sie mit lauter Stimme sagte: ‹Warum muß man immer einen schönen Busen haben, der kann ja auch mal ein bißchen hängen.› Dabei hob sie ihren linken Busen etwas an und amüsierte sich über die verdutzten Gesichter der um sie sitzenden jungen Mädchen. Ich glaube», sagte ich zu Sternberg, «diese Frau wäre ein guter Typ für Sie.»
      Schon am nächsten Tag wollte mich Sternberg noch einmal sehen und mir die verschiedenen Fotos zeigen. Wir trafen uns wieder im «Bristol». Er erzählte, er sei gestern im Theater gewesen. Die UFA hatte ihm Hans Albers für die zweite männliche Hauptrolle seines Films vorgeschlagen. Der Abend war ein Glücksfall. Nicht nur Albers erschien ihm die ideale Besetzung - er habe auch seine «Lola» gefunden - Marlene Dietrich: «Ich war fasziniert. Sie hatte nur eine winzige Rolle, aber wenn sie auf der Bühne erschien, konnte ich meine Augen nicht von ihr lassen. Morgen soll ich sie kennenlernen.»
      Von nun an sahen wir uns täglich. Ich gefiel ihm und er mir auch. Es war keine Liebesromanze, aber es entwickelte sich mehr und mehr ein freundschaftliches Verhältnis. Sternberg erzählte mir alles, was den «Blauen Engel» betraf, und ich kam mir fast wie seine Mitarbeiterin vor. So erfuhr ich von dem Kampf, den er vor allem gegen Jannings und eine Reihe anderer in diesem Film beschäftigter Schauspieler führen mußte, um die Dietrich für die

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