Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
Vom Netzwerk:
Nie hatte es Streit oder eine Verstimmung zwischen uns gegeben. Waren wir nur für Stunden getrennt, brannten wir schon vor Sehnsucht auf das Wiedersehen. Aber dieser Brief? Das konnte nur eine Teufelei sein - er mußte verhext worden sein -, ich konnte es nicht glauben. Der Schmerz kroch mir in jede Zelle meines Körpers, er lähmte mich, bis ich versuchte, mich durch einen furchtbaren Schrei zu befreien. Weinend, schreiend, in meine Hände beißend, taumelte ich von einem Zimmer ins andere. Ich nahm einen Brieföffner und fügte mir Wunden zu, an Armen, Beinen und Hüften. Ich spürte diese körperlichen Schmerzen nicht, die seelischen brannten wie Feuer in der Hölle.
      Ich weiß nicht, wie ich die furchtbaren Wochen und Monate überleben konnte. In meiner Erinnerung gehört diese Zeit zu der schlimmsten meines Lebens. Aus jedem Fenster wollte ich mich stürzen, vor jede Bahn wollte ich mich werfen - warum tat ich es nicht? Es waren Hoffnungen, durch Aussprachen Schneefloh zurückgewinnen zu können, aber sie erwiesen sich als trügerisch. Schneefloh gab mir keine Chance, ihn noch einmal zu sehen. Er tat alles, um eine Begegnung zu verhindern. Ich bat Udet, aber auch ihm widersetzte sich Schneefloh. Er wollte mich nicht Wiedersehen.
      Mehr als fünf Monate habe ich mit diesem Schmerz gelebt. Langsam habe ich meine Liebe getötet. Aus mir wurde ein anderer Mensch. Nie wieder, das schwor ich mir, nie wieder wollte ich einen Mann so lieben.

    Josef von Sternberg

    D as einzige, das mich in dieser Zeit von meinem Schmerz ablenken konnte, war, gute Filme anzusehen. Und es gab einige sehr gute mit Stars wie Charlie Chaplin, Harold Lloyd, Buster Keaton. Es war die letzte große Epoche des Stummfilms, bevor der Tonfilm ihn verdrängte.
      Eines Tages sah ich einen Film, der mich in seinen Bann schlug. Ich schaute mir ihn noch ein zweites Mal an. Ähnlich wie bei Fancks «Berg des Schicksals» war ich überzeugt, diesen Film konnte nur ein ungewöhnlich begabter Regisseur gemacht haben. Nicht das Thema war es, was mich fesselte, sondern die Kunst des Regisseurs und seiner Kamera. Mit Worten ist das schwer zu erklären. Eine wahrhaft künstlerische Arbeit besitzt eine Ausstrahlung. Ich denke da an meine Empfindungen, wie mich die Bilder von van Gogh, Marc oder Klee bewegt hatten.
      Es geht um «Die Docks von New York». Regie: Josef von Sternberg. In der «BZ» fand ich eine kurze Notiz, Sternberg werde nach Deutschland kommen, für eine Produktion mit der UFA. Wie es mir schon mit Fanck ergangen war, hatte ich auch hier den Wunsch, diesen Regisseur kennenzulernen. Er kam aus Hollywood, sonst wußte ich nichts über ihn. Als ich etwas später aus der Presse erfuhr, daß er schon in Berlin eingetroffen war und Verhandlungen mit der UFA führte, entschloß ich mich, ihn dort aufzusuchen.
      Ich hatte mich, so chic ich konnte, angezogen. Kleid und Mantel aus russisch-grünem Wollstoff, mit rotem Pelzfuchs besetzt, dazu einen passenden grünen Filzhut. Nach dem Film von Sternberg wußte ich, daß er Wert auf gut gekleidete Frauen legte.
      Lange mußte ich in dem Bürohaus der UFA herumfragen, bis ich erfuhr, in welchem Zimmer sich Sternberg aufhielt; ich dürfe aber auf keinen Fall stören; Sternberg befinde sich in einer wichtigen Besprechung, zusammen mit Erich Pommer und den Schriftstellern Heinrich Mann und Carl Zuckmayer. Alles respektheischende Namen. Mit ziemlichem Herzklopfen stand ich vor der Tür des Konferenzzimmers, aus dem lautes Stimmengewirr drang. Ich schwankte, was ich tun sollte - klopfen oder weggehen, und ich entschloß mich zu klopfen. Die Tür wurde geöffnet, dicker Zigarrenqualm strömte mir ins Gesicht. Eine Stimme sagte: «Was wünschen Sie?»
      Mit meinem mir plötzlich unerklärlichen Mut konnte ich nur noch piepsend herausbringen: «Ich möchte Herrn von Sternberg sprechen.»
    Die Stimme: «Geht nicht.»
      Die Tür wurde mit einem Ruck zugeschlagen. Benommen stand ich vor der geschlossenen Tür. Da wurde sie noch einmal geöffnet, und ein mir unbekannter Mann mit auffallend schönen hellgrauen großen Augen steckte seinen Kopf durch den Türspalt.
      «Was wünschen Sie von mir?» fragte er mit einer wohlklingenden Stimme, aber in sarkastischem Tonfall.
      «Ich möchte Sie sprechen, ich habe Ihre Filme gesehen, und ‹Die Docks von New York› sind einfach genial.»
      Sternberg musterte mich von oben bis unten, machte dann die Tür etwas weiter auf, so daß ich seine

Weitere Kostenlose Bücher