Memoiren 1902 - 1945
Bergwelt fahren mußte, bat mich Sternberg, mit ihm auf den Berliner Presseball zu kommen. Er wollte mich abholen. Ich war noch beim Anziehen, da kam er eine Stunde zu früh. Es war das erste Mal, daß ich ihn aufgeregt erlebte. Er bat um Verzeihung, daß er nicht mit mir auf den Ball gehen könnte, Marlene habe, als sie es erfuhr, mit Selbstmord gedroht. Ich konnte das nicht verstehen. Natürlich verzichtete ich sofort. Wie schade, dachte ich, daß wir nicht zu dritt hingehen können.
Von diesem Presseball, den ich dann mit G. W. Pabst und seiner Frau besuchte, gibt es ein besonderes Foto. Es wurde von dem amerikanischen Fotografen Alfred Eisenstein gemacht und zeigt mich zusammen mit Marlene und der chinesischen Schauspielerin Anna May Wong, die Hollywood zu einem Weltstar gemacht hatte.
Mit Sternberg verlebte ich noch einen stimmungsvollen Abschied bei dem Regisseur Erwin Piscator in dessen Wohnung. Sie war festlich mit Blumen und Kerzen geschmückt, und es gab Champagner und Kaviar. Sternberg wußte, daß ich auf Kaviar versessen war. Ich hatte ihm einmal erzählt, daß ich schon als Tanzelevin, als ich nur ein ganz kleines Taschengeld erhielt, dies solange zusammensparte, bis ich mir bei Winkelstern in der Joachimsthaler-Straße für drei Mark ein Döschen kaufen konnte.
«Heute sollst du dich einmal an Kaviar satt essen», sagte Jo. Er war froh, daß ich ihm den mißglückten Ballbesuch nicht übelgenommen hatte, und redete mir zu, ihm nach Hollywood zu folgen.
«Und Marlene?» fragte ich.
«Sie hat sich noch nicht entschieden», sagte er. «Marlene wird ei
nen großen Erfolg haben, aber die UFA-Leute sind so blöd, sie glauben noch immer nicht an den Erfolg meines Films und schon gar nicht an einen von Marlene. Sie sind so dumm, daß sie nicht einmal die Option genutzt haben, die sie für die Dietrich besaßen.»
Ich erzählte Sternberg, ich hätte so etwas Ähnliches schon mit der Garbo erlebt. Als ich 1915 in Berlin den Film «Die freudlose Gasse» mit Asta Nielsen, Werner Krauss und der Garbo sah, war ich von dieser Frau so fasziniert, daß ich Fanck und Sokal ins Kino schleppte, sie sollten sich die Garbo doch auch einmal ansehen. Damals bekniete ich Sokal, die Garbo zu engagieren, ich war von dem Adel ihrer Schönheit geradezu betört und überzeugt, sie würde weltberühmt werden. Aber weder Fanck noch Sokal konnten das Geringste an ihr finden. Ich war wütend und traurig. Nur wenige Tage danach sah ich sie schon auf der Titelseite der «Berliner Illustrierten» - sie war nach Hollywood engagiert.
Als ich endgültig von Sternberg Abschied nahm - es war im Januar 1930 -, war noch nicht sicher, ob Marlene oder ich ihm nach Hollywood folgen würden.
«Stürme über dem Montblanc»
I m Februar kam ich nach Arosa und wurde mit großem Hallo von dreißig Skiläufern begrüßt. Die besten Schweizer und Innsbrucker Abfahrtsläufer waren es, mit denen ich eine Fuchsjagd zu fahren hatte - unter ihnen die berühmten Brüder Lantschner und David Zogg. Jetzt hatte ich die Gelegenheit, mein Skilaufen sehr zu verbessern.
Die Skiläufer trugen alle rote Pullover, was gegen den weißen Schneehintergrund reizvoll aussah. Damals kam mir zum ersten Mal die Grundidee meines späteren Filmprojekts «Die roten Teufel», das ich 1954 vergeblich zu verwirklichen suchte. Farben im Schnee - mit Farben auf weißem Grund zu arbeiten wie ein Maler, das beschäftigte mich, seit ich die roten Teufel durch den Pulverschnee fahren sah.
Fanck hatte ein großes Problem. Den männlichen Hauptdarsteller hatte er noch nicht. Es ist selten, jemand, der Schauspieler und zugleich Alpinist ist, zu finden. Fanck, hörte ich, wisse keinen Rat mehr und wollte sich einen Schauspieler aus Berlin kommen lassen.
Ich fand das eine abwegige Idee und zermarterte mir den Kopf, wie man einen erstklassigen Sportsmann finden kann. Da fiel mir etwas ein, was ich längst vergessen hatte. Sepp Allgeier, einer unserer Kameraleute, hatte mir einmal von einem sehr guten Skiläufer erzählt, den er in Gurgl kennengelernt hatte, er zeigte mir auch ein kleines Foto von ihm. Wie hieß doch der Mann? Ich kramte angestrengt in meinem Gedächtnis, und allmählich fiel mir alles wieder ein.
Es war ein Polizeifunker aus Nürnberg. Ich war ja immer auf der Suche nach «Filmgesichtern», und diesen Namen - Sepp Rist hieß er - hatte ich mir aus irgendeinem Grund gemerkt. Merkwürdig, daß ich sofort davon überzeugt
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