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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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realistisch, nicht aber seine Fotografie, die in erster Linie «schön» sein mußte. Immer sollte die Sonne scheinen, und die Aufnahmen, auch wenn es nicht zur Szene paßte, mußten «schön» sein. Das hat mich oft gestört, und ich empfand es als Stilbruch. Da aber auch ich optisch «schöne» Aufnahmen mochte, habe ich mich für eine Handlung entschieden, die vom Thema her, sei es als ein Märchen, eine Legende oder eine Dichtung, optisch hervorragende Aufnahmen verlangte. Erst wenn Thema und Bildgestaltung ein und dasselbe ausdrücken, entsteht eine Stileinheit. Und das war es, worum es mir ging. Wie aber weiterkommen? Ich setzte mich mit der AGFA in Verbindung, wobei ich an eine Filmemulsion dachte, die für bestimmte Farben unempfindlich wird und durch die bei Benutzung besonderer Filter Farbveränderungen und irrationale Bildeffekte zu erreichen waren. Die AGFA zeigte sich kooperativ, machte Versuche, und daraus entstand dann das «R-Material». Später wurde es allgemein verwendet, vor allem, wenn bei Tageslicht die Wirkung von Nachtaufnahmen erzielt werden sollte.
      Zum Dank für meine Anregung versprach AGFA mir das Filmmaterial zur Verfügung zu stellen. Nachdem sich auch die Kopieranstalt Geyer bereit erklärte, mir kostenlos einen Schneideraum mit einer Kleberin zu geben, wagte ich das Risiko. Ich verkaufte Schmuck, den meine Eltern mir geschenkt hatten, eine Original-Radierung, die ich von Fanck bekam, einfach fast alles, was ich besaß, verpfändete meine Wohnung und gründete im Frühsommer 1931 als alleinige Gesellschafterin meine erste eigene Filmgesellschaft, die L. R. STUDIOFILM GmbH. In wenigen Wochen hatte ich meine Vorbereitungen beendet und konnte im Juni mit der Motivsuche beginnen. Wegen der geringen Mittel hatte ich mich entschlossen, die Regie selbst zu übernehmen.
      Im Tessin, am Ende des Maggiatals, am Fuße eines großen Wasserfalls, liegt das kleine Dörfchen Foroglio. Im Drehbuch war es als Schauplatz der Handlung vorgesehen. In den Dolomiten fand ich in der Brentagruppe den Crozzon, im Film Monte Cristallo genannt, an dessen Gipfel in der Filmlegende das blaue Licht in den Vollmondnächten schimmert.
      Nun fehlten mir noch die Bauern, sie waren am schwierigsten zu finden. Ich wollte besondere Gesichter haben, herbe und strenge Typen, wie sie auf den Bildern von Segantini verewigt sind. In den entlegensten Gebirgstälern besuchte ich viele Dörfer, fühlte mich immer enttäuschter und war der Verzweiflung nahe. Keiner der Bauern paßte zu meinem Filmstil.
      In Bozen traf ich einen befreundeten Maler, ihm erzählte ich meine Probleme.
      «Ich kenne die Bauern, die Sie suchen, die gibt es», sagte er, «aber es ist hoffnungslos, sie zum Filmen zu bewegen. Schon seit Jahren will ich den einen oder anderen malen, es sind ungewöhnliche Typen, aber sie sind äußerst scheu und stur und waren weder für Geld noch Geschenke bereit, sich malen zu lassen.»
      Seine Worte elektrisierten mich. «Wo finde ich sie?»
      «Gar nicht weit von hier, in weniger als einer Stunde können Sie dort sein, Sie finden sie im Sarntal. Um sie zu sehen, müßte man an einem Sonntag-Vormittag nach Sarentino fahren, dem kleinen Hauptstädtchen des Sarntals. Dort kommen sie jeden Sonntag von ihren Hütten herunter zum Gottesdienst.»
      Am nächsten Sonntag war ich dort. Das Dörfchen Sarentino, zu deutsch Sarntheim, liegt nur knapp dreißig Kilometer von Bozen entfernt. Wie ausgestorben waren die kleinen Gassen. In der Mitte des Dorfs stand die Kirche, gegenüber ein kleines Gasthaus. Ich ging hinein, um von dort aus die Bauern, wenn sie aus der Kirche herauskamen, zu beobachten. Meine Spannung war unerträglich, als wenn es um «alles oder nichts» ginge. Wie werden die Bauern aussehen? Werde ich mit ihnen ins Gespräch kommen können?
      Endlich öffnete sich die Kirchentüre, und die ersten erschienen. Ich war sprachlos. Tatsächlich sahen sie so aus, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Strenge, schwarzgekleidete Gestalten mit hageren Gesichtern und unnahbaren, abweisenden Mienen. Die Männer trugen alle große schwarze Filzhüte, was sie noch eindrucksvoller machte.
      Ich hörte mein Herz schlagen und versuchte meine Angst zu unterdrücken, diese wunderbaren Typen nicht für meinen Film zu bekommen. Ich nahm meine Leica und ging hinaus. Inzwischen hatten sich verschiedene Gruppen vor der Kirche versammelt, unter ihnen auch ältere Frauen, die ebenfalls schwarz und streng gekleidet

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