Memoiren 1902 - 1945
übte und war manchmal sehr verzagt, weil ich kaum einen Fortschritt bemerkte. Aber auch hier bewies es sich, daß man nicht so leicht etwas aufgeben soll. Mit Fleiß und Zähigkeit, vor allem aber mit Geduld und Zuversicht kann man viel erreichen. So hatte ich dann auch bei meinen ersten Tonaufnahmen für den Montblancfilm keinerlei Schwierigkeiten.
Bevor der Tonfilm in die deutschen Kinos kam, hatte ich mir in London eine Wochenschau angesehen, in der ich zum ersten Mal einen Redner sprechen hörte. Für mich war das ein technisches Wunder. Obgleich mich diese neue Dimension des Films begeisterte, war ich über das unausbleibliche Sterben des Stummfilms betrübt. Gegenüber dem Tonfilm hatte er große Vorzüge, vor allem in künstlerischer Hinsicht. Wenn die Sprache fehlte, mußten andere Ausdrucksformen sie ersetzen. Die Kunst der Fotografie hatte bei dieser Gegebenheit große Leistungen der Kamera hervorgebracht. Der Stummfilm hatte oftmals mehr Atmosphäre als ein Tonfilm, weil in dem meist der Dialog zum entscheidenden Mittel der Handlung wird. Und wieviel überflüssiges Zeug wird da manchmal geredet.
So wurden Tonfilme, die den Dialog nur sparsam verwendeten und wie bisher den Wert auf künstlerische Gestaltung legten, zu Meisterwerken. Sternberg, Bunuel, Kazan, Clement, de Sica, Fellini, Kurosawa, um nur einige zu nennen, haben sie hervorgebracht.
Unvergessen blieben Stummfilme mit Asta Nielsen, Henny Porten, Greta Garbo, Charlie Chaplin, Harold Lloyd, Buster Keaton, Lilian Gish, Douglas Fairbanks, Conrad Veidt und Emil Jannings, Fil
me wie «Der Golem», «Das Cabinet des Dr. Caligari» oder «Die Nibelungen» und ihre Regisseure: «Das gab’s nur einmal.» Dasselbe gilt auch für die Filme der großen russischen Regisseure wie Pudowkin und Eisenstein, dessen «Panzerkreuzer Potemkin» in seiner Urfassung noch ein Stummfilm war.
Bemerkenswert erscheint mir, daß in letzter Zeit viele der besten Stummfilme eine Renaissance erleben und auch auf die Jugend große Anziehungskraft ausüben. Manchmal wird die Wiederaufführung solcher Werke sogar durch ein lebendes Orchester begleitet, wie es zur Zeit ihrer ersten Aufführung in den Kinopalästen der ganzen Welt selbstverständlich war. Guiseppe Becce im UFA-Palast oder Alexander Laszlo im Münchner Phoebus-Palast dirigierten bei jeder Vorstellung Orchester von vierzig Mann und mehr zu den von ihnen für den jeweiligen Film geschaffenen Partituren.
Für diese Musiker bedeutete die Anfangszeit des Tonfilms ein soziales Problem.
«Das blaue Licht»
W ieder war eine große Arbeit beendet. Wieder fragte ich mich, ob sie mich befriedigt hatte. Ich konnte es nicht bejahen. Es war nicht allein die schauspielerische Leistung, auf die es mir ankam, sondern noch etwas anderes kam hinzu. Ich hatte begonnen, mich für das Arbeiten mit der Kamera zu interessieren, für Objektive, für das Filmmaterial und die Filtertechnik.
Auch hatte ich Fanck beim Schneiden seiner Filme zugeschaut. Ich war fasziniert, welche Wirkungen man durch den Bildschnitt erreichen kann. Der Schneideraum wurde für mich zu einer Zauberwerkstatt, und Fanck war, was das Filmschneiden betraf, ein Meister.
Wider Willen wurde ich mehr und mehr auf die Gestaltung von Filmen gelenkt. Ich wehrte mich anfangs dagegen, ich war Schauspielerin, und ich wollte mich nicht verzetteln. Aber ich konnte es nicht ändern, daß ich inzwischen alles mit Filmaugen sah. Jeden Raum, jedes Gesicht setzte ich in Bilder und Bewegung um. Ein immer stärkeres Verlangen beherrschte mich, selber etwas zu schaffen.
Mit meiner Rolle in meinem letzten Bergfilm war ich unzufrieden. Es war überhaupt keine richtige Rolle. Die Arbeiten an diesem Film waren nur äußerst strapaziös und gefährlich gewesen. Von der eisigen Kälte, den Stürmen und Gletschern hatte ich mehr als genug. Ich sehnte mich nach den Bergen - ohne Eis und Schnee, und ich begann zu träumen.
Aus meinen Träumen entstanden Bilder. Nebelhaft erkannte ich die Umrisse eines jungen Mädchens, das in den Bergen lebt, ein Geschöpf der Natur. Ich sah es beim Klettern, sah es im Mondlicht, ich erlebte, wie es verfolgt und mit Steinen beworfen wird, und schließlich träumte ich, wie dieses Mädchen sich von einer Felswand löst und langsam in die Tiefe stürzt.
Diese Bilder ergriffen Besitz von mir, sie verdichteten sich, und eines Tages schrieb ich das alles nieder - ein Exposé von achtzehn Seiten. Ich nannte es «Das
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