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Memoiren 1902 - 1945

Memoiren 1902 - 1945

Titel: Memoiren 1902 - 1945 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Erschütterung, die das für mich bedeutet hatte, schienen die Narben verheilt. Bitterkeit war nicht zurückgeblieben.
      Schneeberger war bereit, ohne Gage zu arbeiten. Für seinen Assistenten hatte ich Heinz von Javorsky, meinen Sekretär, den «Landstreicher vom Montblanc», vorgesehen, der glücklich war über die Chance, bei einem Meister wie Schneeberger zu lernen, auch wenn er nur 50 RM Monatsgehalt bekommen konnte. Ich hoffte, mit meiner Mannschaft von nur sechs Personen auszukommen, und das für eine Zeitdauer von zehn Wochen. Alle mußten auf ihre Tagegelder verzichten und ich auf einen Produktionsleiter, einen Regie-Assistenten, eine Sekretärin, eine Garderobiere und den Maskenbildner.
      Während ich immer neue Kostenvoranschläge ausarbeitete, mußte ich feststellen, daß mir mindestens 90 000 RM Bargeld fehlten, für Filmmaterial, Arbeiten in der Kopieranstalt, Miete des Lichtwagens, den Bau einer Kristallgrotte und die Synchronisation inklusive der Musikaufnahmen. Sooft ich auch die Zahlen durcheinander schrieb, es änderte sich nichts an dieser Tatsache.
      Mußte ich nun endgültig auf meinen Plan verzichten? Noch nicht. Fanck drehte einen neuen Wintersportfilm, den «Weißen Rausch», ein Lustspiel im Schnee, und ich nahm das Angebot der weiblichen Hauptrolle an. Die Gage würde ich für mein «Blaues Licht» verwenden können.
      Die Aufnahmen fanden in St. Anton und Zürs am Arlberg statt. So schön es auch war, mit Hannes Schneider, Rudi Matt, den Brüdern Lantschner und anderen Rennläufern Ski zu laufen, ich konnte mich diesem herrlichen Vergnügen nicht so recht hingeben, da alle meine Gedanken nur um mein «Blaues Licht» kreisten. Hinzu kam, daß ich die Rolle, die ich im «Weißen Rausch» zu spielen hatte, reichlich blöd fand. Bei fast jeder Gelegenheit verlangte der Regisseur von mir, ich müßte «au fein!» ausrufen. Es war mir zuwider, und ich brachte es einfach nicht mehr über die Lippen. Tränen waren die Folge und Krach mit Fanck, der das genoß. Er hatte großen Spaß daran, mich wütend zu machen. Selbstverständlich wurde er dabei unterstützt von Sokal, dem Produzenten dieses Films, der ihn für den «AAFA-Filmverleih» herstellte.
      Sokal, der sich ganz dem Film zugewendet hatte und mit der «Weißen Hölle vom Piz Palü» ein Vermögen verdiente, hatte sich anders als Fanck inzwischen damit abgefunden, mich nicht zu erobern. Aber geblieben war sein starkes Interesse an der Filmproduktion, für die er sich auch ausgesprochen begabt zeigte. Er war es auch, neben G. W. Pabst, der mir Regiefähigkeiten zutraute. Trotzdem riskierte er es noch nicht, mich bei der Finanzierung meines eigenen Projekts zu unterstützen.
      Während ich mich in meiner Rolle als Skianfängerin mit allen möglichen Stürzen abplagen mußte, erfuhr ich ganz unerwartet eine sehr angenehme Überraschung. Bela Balazs besuchte mich in St. Anton, um mit mir an unserem Drehbuch meiner Filmlegende zu arbeiten. Das gab mir einen mächtigen Auftrieb. Wir ergänzten uns in idealer Weise. Während er ein Meister im Aufteilen der Szenen und im Dialog war, konnte ich alles gut ins Optische umsetzen. So entstand in weniger als vier Wochen ein bemerkenswertes Buch.
      Kaum konnte ich die Zeit abwarten, bis meine Aufnahmen am Arlberg beendet waren.
      Endlich, nach fünf Monaten - es war inzwischen Mai geworden , war ich wieder in Berlin. Da ich die 20 000 RM, die ich für meine Rolle erhalten hatte, in mein Filmprojekt stecken wollte, brauchte ich jetzt nur noch 70 000 Mark. Um die Gage nicht anrühren zu müssen, lebte ich sparsam wie ein tibetanischer Mönch. Nicht einmal Strümpfe kaufte ich mir mehr und ging nur noch in Hosen.
      Trotz des eindrucksvollen Drehbuchs hatte kaum jemand Vertrauen zu dem Stoff. Haupteinwände waren, der Film sei zu still, zu romantisch und biete nicht die harmlosesten Sensationen. Über die wahre Ursache der Ablehnung war ich mir nicht im Zweifel. Außer diesen Einwänden, die sogar verständlich waren, war die Abneigung vor allem darin zu suchen, daß sich niemand in meine Bildvisionen hineinversetzen konnte. Sie würden das Besondere dieses Films ausmachen - in der von mir konzipierten Art war so etwas noch nie versucht worden, vor allem nicht die Darstellung eines solchen Themas in einem Bildstil, wie ich ihn anstrebte. Mein «Blaues Licht» war das Gegenteil der Filme von Dr. Fanck. Ich will dies an einem Beispiel erklären. Alle Themen der Fanckfilme waren

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