Memoiren 1945 - 1987
verbrachten wir ebenfalls ziemlich schweigsam im oberen Salon bei Musik. Harald Quandt hatte sich für seine Schallplatten eine Superakustik einbauen lassen — der Klang hätte in Bayreuth kaum subtiler sein können. Ich war von so viel Erhabenheit so gehemmt, daß ich nicht den Mut hatte, mein Anliegen vorzutragen.
Einige Tage nach meinem Besuch schickte ich Quandt die Unterlagen der «Deutschen Nansen-Gesellschaft» und bat ihn um Unterstützung des Filmprojekts. Ebenso wie von Alfried Krupp erhielt ich eine Absage mit der gleichen Begründung. Vor wem fürchteten sich diese reichen Konzernchefs eigentlich? Der kleine Betrag, der auch in Form eines Darlehens gegeben werden konnte, wäre für Millionäre dieser Klasse doch nur ein Trinkgeld gewesen. Es konnte nicht am Desinteresse liegen, denn sonst hätte Krupp mich nicht gebeten, meine Dias an Prinz Bernhard zu schicken. Auch sie scheuten sich wohl, irgendwann und irgendwie für einen kurzfristigen Augenblick zusammen mit dem Namen Riefenstahl genannt zu werden. Vielleicht fürchteten sie, das könnte ihre Geschäfte Millionen kosten.
Da bot sich mir überraschend vielleicht doch noch eine Chance. Diesmal besuchte mich eine Millionärin. Mrs. Whitehead kam aus den USA und war die Alleinerbin ihres Mannes. Um die Bedeutung dieses Besuches in meiner damaligen Situation zu verstehen, muß ich auf Vergangenes zurückgreifen.
Ich hatte sie und ihren Mann durch meinen Bruder, mit dem sie beide befreundet waren, 1938 in Berlin kennengelernt. Damals war sie eine junge, schlanke und sehr fröhliche Frau. Ihre Heirat mit dem superreichen Amerikaner hatte Aufsehen erregt: Sie war die Tochter einer Berliner Waschfrau. Als das Ehepaar seinen Deutschlandbesuch beendete, schenkten sie mir ihren bildschönen dressierten Schäferhund, der mich zwar gern hatte, leider aber nicht die Passanten, die an meinem Haus vorbeigingen. Trotz einer hohen Mauer, die er nur mit viel Mühe überspringen konnte, biß er soviele Leute, daß er eingeschläfert werden mußte.
In New York traf ich 1939 das Ehepaar, das in großem Luxus lebte, wieder. Frau Whitehead war es, die wie Maria Jeritza mich vor Ernst Jäger gewarnt hatte. Schon damals war sie keine sehr glückliche Frau mehr. Sie vertraute mir an, ihr Mann betrüge sie ständig, und nach jedem neuen Ehebruch würde sie mit kostbarem Schmuck beschenkt.
Seitdem waren mehr als zwanzig Jahre vergangen, und Mrs. Whitehead war aus meinem Gesichtskreis verschwunden. Um so überraschter war ich, daß sie mich nun wiedersehen wollte. Ich hoffte, von ihr die mir noch fehlenden 95 000 DM als Darlehen zu bekommen.
Sie wohnte in den «Vier Jahreszeiten». Als ich sie dort wiedersah, konnte ich einen Augenblick kein Wort herausbringen. Ich war erschrocken. Eine unförmig dicke Frau, den Kopf mit schütterem Haar bedeckt, stand vor mir. Sie sagte: «Leni, das ist meine Schwester», sie stellte mir eine Frau mittleren Alters vor, dann schaute sie mich fragend an.
«Du erkennst mich nicht mehr?» Sie brach in Tränen aus.
Ich war fassungslos. Das sollte Emmy Whitehead sein?
Dann erfuhr ich die traurige Geschichte dieser Frau. Nach dem Tod ihres Mannes, der ihr ein riesiges Vermögen hinterlassen hatte, lebte sie in Atlanta. Die Firma «Coca Cola» hatte dort ihre Hauptniederlassung. Sie verliebte sich, wie sie sagte, in einen jungen rassigen Südländer, der sie schamlos ausnutzte. Aus Kummer fing sie zu trinken an, wurde Alkoholikerin, und je unglücklicher sie wurde, desto mehr wuchs ihr Hungergefühl. Sie trank und aß sich fast zu Tode.
«Ich bin ein Monster geworden», sagte sie, «aber vielleicht gibt es noch eine Rettung für mich, deshalb bin ich nach Deutschland gekommen. Hier soll es gute Sanatorien geben — wenigstens vierzig bis fünfzig Kilo möchte ich abnehmen.» Wortlos und ziemlich erschüttert saß ich ihr gegenüber.
«Sieh mal», sagte sie und erhob sich, von ihrer Schwester gestützt, schwerfällig von dem Sofa, öffnete die Schranktüren und zeigte mir ihre zahllosen Pelze. «Alles, was es auf der Welt an Pelzen gibt, kannst du hier sehen, Zobel, Nerze, Hermelin — aber was habe ich davon, ich würde sie alle hergeben, wenn ich wieder schlank werden könnte und meine Haare wachsen würden. Ich hasse Perücken und benutze sie nur, wenn ich ausgehe. Zu Hause laufe ich immer so herum», dabei griff sie sich an ihren fast kahlen
Kopf.
«Warum bindest du dir kein Tuch um?»
Sie
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