Memoiren 1945 - 1987
nicht getan hätte.
Deshalb hatte ich mich auch der «Nansen-Expedition» angeschlossen — ich wollte die Nuba finden. Lange dauerte es, bis ich herausfand, wo Kordofan lag, und noch länger, bis ich auf einer englischen Landkarte die «Nuba Hills» entdeckte. Kordofan war eine Provinz im Sudan, und die Nuba-Berge lagen im Süden. Aber über den Stamm der Nuba war kaum etwas zu erfahren. Von Völkerkundlern hörte ich, Europäer hätten nur selten die Nuba besucht, nicht einmal Missionare. Selbst in Khartum hatte mir niemand Auskunft geben können, nicht einmal Abu Bakr, der durch alle Provinzen des Sudan gereist ist. Als Grund dieser Abgeschlossenheit wurde mir die große Entfernung angegeben, die Schwierigkeit der Unterbringung und der Mangel an Wasser.
Niemand, auch kein Reisebüro, konnte mir sagen, wie man zu den Nuba-Bergen kommen könnte. Ich hätte mein Verlangen, die Nuba zu finden, aufgeben müssen. Alles, was ich erfuhr, war entmutigend. Vielleicht gab es die von mir gesuchten Nuba nicht mehr — vielleicht jagte ich nur einem Phantom nach.
Khartum
P ünktlich landeten wir um fünf Uhr früh. Zu meiner Freude wurde ich von allen Mitgliedern der «Nansen-Gesellschaft» und dem Chef der Deutschen Lufthansa, Herrn Krombach, herzlich begrüßt. Wir mußten, bis alle Formalitäten erledigt waren, noch für einige Zeit in der sudanesischen Hauptstadt bleiben, unser großes Problem war der Zoll. Für Film- und Fotomaterial waren 60 Prozent Zoll und auf Kameras 100 bis 300 Prozent Zoll zu entrichten. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich mußte einen nervenaufreibenden Kampf mit den Zoll-Beamten führen. Jeden Tag saß ich von früh bis mittags im Zollgebäude und kämpfte um meine Fotoausrüstung. Es sah ziemlich hoffnungslos aus, gegen die strengen Gesetze konnten auch die sehr gefälligen Beamten nichts ausrichten. Am vierten Tag verlor ich die Geduld — ich explodierte, weinte und schimpfte solange, bis ich alles ohne einen Pfennig freibekam und wir uns trotzdem freundlich die Hände schüttelten. Diesen Erfolg verdankte ich vor allem meinen Polaroidfotos, die ich unbemerkt von den Beamten gemacht hatte und ihnen schenkte. Das bewirkte Wunder. Für die Kameraausrüstung mußte allerdings eine hohe Kaution ge leistet werden, die in sehr entgegenkommender Weise von der «Deutschen Lufthansa» hinterlegt wurde. Überhaupt erwies sich die «Lufthansa» als überaus hilfreich. Ihr Chef vermittelte mir die Kontakte zu den sudanesischen Dienststellen, die für uns die unerläßlichen Visaverlängerungen bearbeiteten.
In dem alten «Grand-Hotel», das direkt am Nil liegt, erhielt ich noch ein Zimmer. Dieses Hotel hatte eine besondere Atmosphäre. Hier spürte man noch etwas vom Stil der vergangenen englischen Kolonialherrschaft und der Zeit des Mahdi. Als Dependance für seine Gäste benützte das «Grand-Hotel», das immer überbelegt war, einen alten, stillgelegten Nildampfer. Er schwamm auf dem Nil, vom Hoteleingang nur von einer schattigen Baumallee getrennt, der schönsten, die ich je gesehen habe. Die Laubkronen waren so groß und dicht, daß sie wie ein grünes Zeltdach die breite Allee überspannten. Das Sonnenlicht flimmerte durch die Laubblätter und ließ die wie mit Goldstaub gefüllte Luft über die in weiße Gewänder gekleideten schreitenden Gestalten fließen.
Obgleich ich gern im «Grand-Hotel» war, so bangte ich wegen der Rechnung um jeden Tag, den wir länger bleiben mußten. Das Hotel war nicht billig, und meine Reisekasse mehr als bescheiden. Aber ich kam kaum zum Denken, die Eindrücke überstürzten sich. Hier pulsierte ein Leben, das mir fremd geworden war. Täglich erhielt ich Einladungen, vor allem von den hier lebenden Deutschen, aber auch von den ausländischen Botschaften, die in der Nähe des Nils ihre Häuser hatten und in herrlichen Blumengärten ihre Feste feierten. Ein Höhepunkt und wichtig für unsere Expedition war eine Gartenparty, die der deutsche, hier sehr beliebte und sympathische Botschafter, Herr de Haas, für die «Nansen-Expedition» gab. Unter den Gästen befanden sich der deutsche TennisBaron, Gottfried von Gramm, der im Sudan mit Baumwolle Geschäfte machte, sowie viele Sudanesen aus Politik und Wirtschaft, vor allem die Gouverneure und Polizeichefs der sudanesischen Provinzen, die nur einmal im Jahr um diese Zeit in Khartum zusammenkamen. Das waren die entscheidenden Männer, von denen allein es abhing, ob wir uns in ihren Provinzen aufhalten
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