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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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machte eine verächtliche Bewegung und sagte: «Ach, ist doch ganz egal.»
      Ich besuchte sie einige Male und meldete sie dann in einem bekannten Sanatorium in Bad Wiessee an. An meinem Leben war sie völlig desinteressiert, und ich schob es noch hinaus, mit ihr über meine Probleme zu sprechen. Als aber meine Abreise nach Afrika näher rückte und ich noch nicht einmal das Geld für die Versorgung meiner Mutter während meiner Abwesenheit hatte, bat ich sie, mir für diese Zeit — ich rechnete, daß die Expedition 10 Monate dauern würde —, den Betrag von 4000 DM zu leihen, eine Summe, die sie, wie mir ihre Schwester verraten hatte, in wenigen Tagen als Trinkgelder ausgab. In den «Vier Jahreszeiten» hatte sie eine ganze Suite gemietet. Sie versprach mir auch das Geld zu geben, aber ich habe es nie bekommen. Ohne mir die kleinste Nachricht zu hinterlassen, war sie abgereist, auch in Bad Wiessee hatte man nichts mehr von ihr gehört.
      Es blieb mir nichts übrig, als auf den Dokumentarfilm zu verzichten. Da ich aber diese Expedition unbedingt mitmachen wollte, sah ich einen Ausweg darin, von der Arbeit und den Erlebnissen dieser Expedition nur einen 16-mm-Werkfilm zu machen. Das bedurfte nur geringer finanzieller Mittel. Die «Nansen-Gesellschaft» hatte für ihre Lehrfilme genügend Farbfilmmaterial, und der Sohn von Oskar Luz hatte schon Erfahrungen als Kameramann. Selbst ein solcher Film könnte informativ und spannend sein und, wenn er gut war, ins Fernsehen kommen. Vorher aber mußte ich für die Zeit meiner langen Abwesenheit meine Mutter versorgen. Dreihundert Mark monatlich waren das Minimum.
      Da wandte ich mich nach der langen Trennung zum ersten Mal nicht leichten Herzens an meinen geschiedenen Mann Peter Jacob, der nach dem Gesetz verpflichtet gewesen wäre, mich zu unterstützen. Er hätte das sicherlich getan, besaß selbst aber keine größeren Mittel, und unsere Notlage hatte ich ihm nie mitgeteilt. Er war sofort bereit, mit wenigstens 100 DM monatlich meiner Mutter zu helfen. Weitere 100 DM versprach mir Carl Müller, der meine Filme so erfolgreich gespielt hatte, und gerade noch zur rechten Zeit kam ein positiver Bescheid vom Sozialamt, an das ich vor Jahren einen Antrag auf Unterstützung meiner Mutter gerichtet hatte, die als verarmte Witwe ihren einzigen Sohn in Rußland ver
    loren hatte. 100 DM wurden ihr monatlich zugewiesen.
      Das größte Geschenk machte mir aber Herbert Tischendorf, der mich schon bei den «Roten Teufeln» so unterstützt hatte. Er gab mir 3000 DM für das Flugticket Khartum — Nairobi und retour! Afrika war gesichert.
      Die Expedition sollte noch vor Ende September aufbrechen, ich mit dem Flugzeug nachkommen, um in den Wochen, in denen die Expedition unterwegs war, vielleicht doch noch etwas Kapital für den Film aufzutreiben. Treffpunkt war Khartum.
      Nachdem ich alle Impfungen gegen Gelbfieber, Cholera und so weiter hinter mir hatte, wurde ich nach Tübingen zu einer Abschiedsfeier eingeladen. Im Hause der Familie Luz waren alle Expeditionsteilnehmer versammelt. Die Wissenschaftler Dr. Rolf Engel und Frieder Rothe, ein Lehrer sowie der Schwiegersohn von Luz. Ausgenommen von Luz senior waren es alle sehr junge Leute. Ihr offener Gesichtsausdruck gefiel mir, und ich hatte das Gefühl, diese Männer würden im Notfall niemanden im Stich lassen. Wir tranken Brüderschaft und feierten bis zum Morgengrauen. Alle waren wir «afrikaverrückt».

    «Die Nuba von Kordofan»

    E ndlich saß ich im Flugzeug, alles hinter mir lassend. Lasten fielen von mir ab. Ein neuer Lebensabschnitt begann. Es war nicht nur der Wunsch, Afrika wiederzusehen, ein ganz bestimmtes Afrika zog mich magisch an — das dunkle und noch kaum erforschte Afrika, das noch Geheimnisse barg. Besonders eindrucksvoll wurde mir dies durch ein Foto vermittelt, von dem ich mich kaum lösen konnte. Die Aufnahme zeigt einen schwarzen Athleten, der von einem Freund auf den Schultern getragen wird. Vor Jahren hatte ich mir dieses Bild, als ich in Nairobi im Hospital lag, aus einer älteren Nummer des «stern» ausgeschnitten. Ein englischer Fotograf, George Rodger, hatte es aufgenommen. Eine ungewöhnliche Aufnahme. Der Körper des Schwarzen wirkte wie eine Skulptur von Rodin oder Michelangelo. Unter dem Foto stand nur: «Die Nuba von Kordofan», sonst waren keine Hinweise zu finden.
      Diese mir unbekannten Nuba nahmen mich so in Besitz, daß sie mich zu Handlungen veranlaßten, die ich sonst

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