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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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unseren Tee. Die Anspruchslosigkeit des Expeditionslebens mochte ich lieber als den Aufenthalt in einem Luxushotel.
      Bald überspannte uns der nächtliche Sternenhimmel. Die Männer begaben sich früh zur Ruhe. Jeder von uns hatte einen Schlafsack und eine Wolldecke erhalten. Ich hatte mein Klappbett zwischen beiden Wagen aufgestellt, die Taschenlampe unter das Bett gelegt und kuschelte mich in meinen Sack — meine Gedanken bis zum Einschlafen kreisten um die Nuba.
      Am nächsten Morgen machte ich meine ersten Aufnahmen. Bei Kosti, in der Nähe des Nils, sahen wir ungeheure Rinderherden weiden, von Falata-Nomaden geführt. Diese Nomaden sind reich. Nicht nur die mit schwarzen Tüchern gekleideten Frauen, auch die Kinder trugen Gold- und Silberreifen an Armen und Beinen.
      Unsere nächstwichtigste Station war El Obeid, die Hauptstadt
    der Provinz Kordofan, ein großer Umweg, aber ein Aufenthalt in El Obeid war unvermeidlich, dort saßen der Gouverneur und der Polizeichef dieser Provinz, und nur sie konnten uns das Filmen in den «closed districts» genehmigen.
      Wir hatten Glück. Der Polizeichef von Kordofan, den ich am meisten gefürchtet hatte, war von meiner Idee, die noch ursprünglich lebenden Nuba zu finden, begeistert. Als ich ihm aber das Rodger-Foto zeigte und fragte, wo ich diese Nuba finden könnte, sagte er: «Ich glaube, Sie kommen zehn Jahre zu spät. Früher konnten Sie diese Nuba überall in den Nuba-Bergen sehen, aber jetzt, wo Straßen gebaut werden, Baumwolle gepflanzt wird und Schulen eingerichtet werden, hat sich das Leben der Nuba verändert. Sie tragen Kleider, arbeiten auf Plantagen und haben mehr und mehr ihr früheres Stammesleben aufgegeben.»
      Er konnte nicht ahnen, wie sehr mich seine Worte getroffen haben. Tröstend fügte er hinzu: «Wir kommen meist nur bis Kadugli und Talodi, wo unsere südlichsten Polizeistationen der Provinz Kordofan liegen, aber südlich von Kadugli sind von den Nuba vielleicht noch Splittergruppen zu finden.»
      Wir fuhren weiter nach Süden, durch tiefen Sand, den NubaBergen entgegen. Die Wagen hinterließen so lange Staubfahnen, daß die Fahrzeuge in weitem Abstand voneinander fahren mußten. Wenn unser VW-Bus im Sand steckenblieb, mußte er von dem Unimog herausgezogen werden.
      Meist übernachteten wir im Schatten alter Affenbrotbäume. Vier Mann schliefen auf dem Dach des Unimog, einer im Bus und ich auf meinem Feldbett im Freien. Da wenig Platz in den zwei Fahrzeugen war, hatte die Expedition auf jeden Komfort verzichtet. Das Wichtigste, was wir mitführten, waren die Wasser-, Benzinund Ölkanister, Verpflegung, Medikamente, die Film- und wissenschaftliche Ausrüstung, Ersatzteile für die Wagen, Seile, Werkzeug und ähnliches. Für uns sechs Personen gab es nur zwei Waschschüsseln, in denen zeitweise auch das Essen angerichtet wurde. Mein wichtigstes Gepäck war die Kiste mit meiner Foto-Ausrüstung.
      Als wir das Dorf Dilling passiert hatten, sahen wir zum ersten Mal die Konturen der Nuba-Berge. Das Landschaftsbild veränderte sich völlig. Grüne Farben in allen Schattierungen lösten die gelbbraunen der Steppe ab. Wir sahen Bäume und Sträucher, von tief rosa gefärbten Blüten übersät. Sie sind von der Wurzel bis zur
    Blüte giftig und enthalten Strichnin.
      Bis wir Kadugli erreichten, waren wir bereits eine Woche unterwegs. Unser Suchen nach den Nuba, wie sie das Foto zeigte, war erfolglos geblieben. Wir hatten zwar in Dilling und in den Seitentälern einige Nuba-Familien getroffen, aber sie unterschieden sich in ihrer Kleidung, meist Turnhosen und Hemden, kaum von den Schwarzen in den Großstädten. Wir waren sehr enttäuscht. Unsere Hoffnung sank auf den Nullpunkt, aber noch wollten wir die Suche nicht aufgeben.
      Die Pfade verschlechterten sich, und das Fahren wurde immer schwieriger. Ich zitterte um meine zwei Leicas und um die Belichtungsmesser. Unser größter Genuß war es, nachdem wir durch- und durchgeschüttelt waren, aus dem Wassersack, der an unserem Fahrzeug hing, mehrere Becher hintereinander zu trinken.
      Unsere Wagen zwängten sich durch hohes Gras, und oftmals mußten wir tiefe Gräben und ausgetrocknete Flußbette durchfahren. Steinblöcke und uralte Bäume gaben der Landschaft einen fast mythischen Charakter. Das Tal wurde schmäler, die Berge schienen näher zusammenzurücken, und der Weg wurde immer steiniger. Wir waren in diesem Tal schon Stunden unterwegs — nirgends Wasser, Menschen, auch

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