Memoiren 1945 - 1987
konnten, war ich fast täglich mit Abu Bakr beisammen. Er zeigte mir Bilder und Landkarten des Sudan und führte mich durch Omdurman. Diese alte sudanesische Stadt, die mit ihren unzähligen großen und kleinen Moscheen mit den bizarrsten Minaretten einfach faszinierend ist. Der Markt von Omdurman, der größte Afrikas, erinnerte mich an orientalische Märchen. Aus dem ganzen Land kommen die Eingeborenen, um hier zu kaufen und ihre selbstgefertigten Gegenstände wie Schmuck, Musikinstrumente, Speere oder Schwerter von Beduinen zu verkaufen. In den schmalen schattigen Gassen hocken die einheimischen Handwerker, die aus Schlangen- und Krokodilhäuten Handtaschen und kleine Koffer anfertigen. Aber sie sind ebenso Meister der Gold- und Silberschmiede-Kunst. Bewegt hat mich die Frömmigkeit der Sudanesen, wenn sie niederknien und sich mit einer Gebärde gläubiger Hingabe nach Osten verbeugen, manchmal auch inmitten einer Straße. Auch ihre Gastfreundschaft ist ungewöhnlich. Als ich zum ersten Mal in ein sudanesisches Haus bei Sayed Gadalla, einem sudanesischen Filmproduzenten, zum Essen eingeladen war, lag neben meinem Teller fein verarbeiteter Silberschmuck, Halskette, Armband und Ohrringe. Es wäre unmöglich gewesen, dieses wertvolle Geschenk nicht anzunehmen. Wer im Sudan reist, muß wissen, daß man als Gast niemals in einem sudanesischen Haus etwas bewundern darf, sei es ein Bild, einen Teppich oder gleichviel was, dann wird ihm dieser Gegenstand als Geschenk mitgegeben oder am nächsten Tag gebracht. Würde er das Geschenk nicht annehmen, verletzte er die Ehre des Gastgebers.
Ein unglückliches Ereignis verstärkte die Spannung zwischen den Nansen-Leuten und mir. Auf dem Campingplatz explodierten Rauchbomben, die ich für eventuelle Sandsturmaufnahmen mitnehmen ließ. Die auf dem Dach des Unimog schlafenden Männer wurden durch die Luft geschleudert, erlitten aber zum Glück nur Quetschungen und Schnittwunden. Es war ein Wunder, daß die Benzinkanister nicht in Brand gerieten. Der Sachschaden war beträchtlich. Kein Wunder, der Expeditionsleiter hielt mich für den Schuldigen.
Inzwischen waren fast drei Wochen vergangen, und noch immer regnete es im Süden des Landes. Das Warten in Khartum wurde unerträglich. Da wagte ich einen Vorschlag. Von Abu Bakr wußte ich, daß es noch eine andere Möglichkeit gab, zu den Nuern zu gelangen. Die von Luz geplante Route, den Nil entlang nach Süden zu fahren, war zweifellos die kürzeste, die andere stellte einen Umweg von fast tausend Kilometern dar. Aber die Vorteile würden die Nachteile überwiegen: Auf diesen westlich gelegenen Routen, die auch nach Süden führen, war die Regenzeit schon vorüber, außerdem führten diese Wege durch die Nuba-Berge, was mein Herz höher schlagen ließ. So könnten wir die dort lebenden Eingeborenen und, falls wir sie fänden, sogar die Nuba solange filmen, bis die Straße, die zu den Nuern führt, befahrbar wäre. Selbst, wenn wir nicht auf die Nuba stoßen sollten, wäre diese Route lohnender, als wochenlang in Khartum tatenlos herumzusitzen.
Die lange Wartezeit hatte so zermürbend auf die Expedition gewirkt, daß ihr Leiter sich für meinen Vorschlag schneller erwärmte,
als ich gedacht hatte. Er begann mit den Vorbereitungen der Abreise.
Ich war überglücklich. Ich hoffte zuversichtlich, die geheimnisvollen Nuba zu finden, die ich auf Rodgers Foto gesehen hatte.
Durch Kordofan
E s war soweit. Anfang Dezember 1961 startete unsere Expedition. Wir hatten noch Post erledigt und auf dem Markt Tomaten, Zwiebeln, Melonen und Zitronen eingekauft. Das Wetter war herrlich, der wolkenlose blaue Himmel, die Luft nicht zu heiß und nicht zu kalt — es war «Winterzeit». Wir trugen leichte Sachen. Ein kurzer Rock und eine Sportbluse waren meine Kleidung
Kaum hatten wir die Hauptstadt hinter uns gelassen, befanden wir uns auf einer sandigen Straße, die tiefe Spuren und Löcher aufwies und uns zwang, vorsichtig zu fahren. Nach eineinhalb Stunden wichen wir von der Straße, die nach Kosti führte, ab. Wir mußten noch vor Einbrechen der Dunkelheit einen Biwak-Platz finden. Da wir aus Platzmangel keine Zelte mitführten, machte das Übernachten wenig Umstände.
Einige der Metallkisten wurden ins Freie gestellt, der Benzinkocher für Teewasser angesteckt, in eine Schüssel Tomaten und Zwiebeln geschnitten. Eine halbe Stunde später saßen wir zum ersten Mal vereint auf unseren Kisten und tranken mit großem Genuß
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