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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Morgen fuhren wir nach Faschola, zur Residenz des Schilluk-Königs Kur. Von überall strömten die Schilluk-Krieger herbei, sie trugen große, aus Krokodilhäuten gefertigte, fast mannshohe Schilder und hatten mehrere Speere in der Hand. Oberkörper und Arme waren mit Silberketten, Elfenbein und bunten Glasperlen geschmückt. In Faschola waren schon einige tausend Schilluk-Krieger versammelt, als König Kur erschien, der von seinen Untertanen wie ein Gott verehrt wurde. Er war in eine helle Toga gekleidet, zu der die rote Baskenmütze einen seltsamen Kontrast bildete. Seine Leibgarde trug im Gegensatz zu den mit Leopardenfellen und Schmuck geschmückten Schilluk rote Shorts und Hemden.
      Inzwischen hatte Osman Nasr Osman mit seiner Autokolonne Faschola erreicht, und nachdem er den König begrüßt und mir vorgestellt hatte, ging ein wildes Trommeln los. Die Krieger formierten sich in zwei Gruppen. Zuerst tanzte der gut genährte, mollige König an der Spitze seiner Leibgarde, so rasant und doch geschmeidig, daß ich aus dem Staunen nicht herauskam. Ihm folgten seine Krieger im Tanz. War das Ganze auch nur eine großartige Inszenierung, so steckte doch noch viel Ursprünglichkeit darin. Der Rhythmus der stampfenden Männer, der sich bis zur Ekstase steigernde Ausdruck wilder Begeisterung machten sichtbar, daß die Schilluk — anders als die friedlichen Nuba — ein Kriegervolk waren. Ihre Gesichter glänzten von den Anstrengungen des Tanzes, der eine Schlacht symbolisieren sollte, in der eine Armee die des Königs darstellte, die andere die ihres Halbgottes Nyakang. Angriff und Verteidigung lösten einander ab; aus dichten Staubwolken glänzten silbern blitzende Speerspitzen; wehende Leopardenfelle und phantastische Perücken machten die Szene zu einem Schauspiel, wie es selbst Hollywood kaum gelungen wäre. Die wilden Schreie der Zuschauer feuerten die Krieger zu sich ständig steigernder Leidenschaft an. Ich fotografierte, bis ich keinen Film mehr in der Kamera hatte.
      Wir beschlossen, einige Tage zu bleiben. Der D. C. Offizier stellte mir einen Geländewagen mit einem Schilluk als Fahrer zur Verfügung, der sogar einige Worte englisch sprach. Nicht auszudenken, wenn ich solche Möglichkeiten bei den Nuba gehabt hätte. Immer mehr mußte ich an sie denken und immer stärker wurde in mir der Wunsch, sie wiederzusehen.
      Meine mir in Europa eingeprägte Vorstellung, die «Wilden» seien gefährlich, erwies sich als falsch. Von der Wildheit, die ich auf den Gesichtern während der Kriegstänze gesehen hatte, war im Alltag nichts mehr zu bemerken. Kein unguter Blick traf mich, alle waren sie freundlich zu mir. Was ich bis jetzt in Afrika erlebt hatte, ließ mir die zivilisierte Welt weitaus gefährlicher erscheinen. Bis auf eine Ausnahme, an der ich selbst schuld war, wurde ich nie von einem Eingeborenen bedroht.
      Kurz vor unserer Rückfahrt nach Malakal erlebte ich durch einen glücklichen Zufall ein noch grandioseres Schauspiel, als das zu Ehren des Gouverneurs. Wir befanden uns mit dem Landrover weit von Kodog entfernt, in einer einsamen Steppenlandschaft, als wir gegen den schon rötlich verfärbten Himmel Heerscharen von Schilluk-Kriegern auf uns zukommen sahen. In wenigen Minuten befanden wir uns im Mittelpunkt eines Kampfgetümmels, eingehüllt in Wolken von Staub, aber niemand beachtete uns. Auch diese Männer tanzten und sprangen, als besäßen sie Glieder aus federndem Stahl. Wiederum kämpfte Gruppe gegen Gruppe, Armee gegen Armee — alles war nur die Imitation einer gewaltigen Schlacht.
      Diese festliche Zeremonie fand zur Erinnerung an einen verstorbenen großen Häuptling statt, wie ich von meinem Schilluk-Fahrer erfuhr. Das Besondere lag darin, daß sie echt war und nicht für Besucher veranstaltet. Selbst der D. C. Offizier von Kodog wurde nicht eingeweiht.
      In Malakal warteten wir auf den Nildampfer. Die Straße nach Juba war wegen der vorangegangenen schweren Regenfälle noch nicht befahrbar. Unter besseren Bedingungen wären wir in einem Tag am Ziel gewesen, während der Nildampfer sieben Tage unterwegs war. Plötzlich hatte ich eine Idee. Ich fragte den Deutschen, ob er nicht lieber mit einem Umweg von einigen hundert Kilometern auf dem Landweg nach Juba fahren wollte. An seinem Gesichtsausdruck merkte ich, daß er meine Frage nicht verstanden hatte. Mein heimlicher Gedanke war, die Nuba wiederzusehen, und jetzt war ich nur einige hundert Kilometer von ihnen entfernt — von

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