Memoiren 1945 - 1987
Deutschland würden es ein paar tausend sein. Ich machte dem Mann klar, daß ich an die Strecke auf der anderen, der westlichen Nilseite dachte, die über Talodi und durch die Nuba-Berge führt. «Von dort aus könnte man über Wau auf einer Allwetterstraße nach Juba fahren», sagte ich, «und wer weiß, ob wir überhaupt Zeit verlieren, es ist ja nicht einmal sicher, ob Sie auf dem nächsten Nildampfer Platz für Ihren Wagen bekommen. Außerdem», fuhr ich fort, «können Sie viel Geld sparen, denn die Ladegebühren und die zwei Schilfsplätze auf dem Dampfer sind nicht billig.»
Ich machte eine kleine Pause, denn ich bemerkte, wie der Deutsche anfing, sich mit diesem Gedanken zu beschäftigen. «Und», sagte ich eindringlich, «Sie könnten die Nuba und ihre Ringkampffeste kennenlernen, etwas, was Sie noch nie gesehen haben.»
«Ich kenne die Latuka», sagte er, «denn ich habe sieben Jahre in der Provinz Äquatoria in der Nähe von Torit gelebt.»
«Das ist ja großartig», unterbrach ich ihn, «dann sind Sie ja ein alter Afrikaner und können doch von meinem Vorschlag nur begeistert sein.»
«Und wie waren die Wegverhältnisse von den Nuba-Bergen nach Malakal?» fragte er zögernd.
«Gut», sagte ich, was nicht ganz der Wahrheit entsprach, «man muß nur kurz nach der Überfahrt mit der Fähre aufpassen, daß man nicht in sumpfige Wiesen kommt, dort hatte unser Unimog die einzige Panne, ich weiß natürlich nicht», sagte ich jetzt kleinlaut, «ob Ihr Wagen so intakt ist, daß er eine solche Fahrt aushält, die Nansens hatten zwei neue Fahrzeuge.»
«Mein Wagen geht prima, und», fuhr er selbstsicher fort, «man muß in Afrika fahren können, und das kann ich.»
Der Zufall kam meinen Absichten zu Hilfe: Der Nildampfer hatte in Malakal angelegt, war aber, wie ich prophezeit hatte, so besetzt, daß er weder Menschen noch Fahrzeuge aufnehmen konnte, was bedeutete, daß wir noch eine weitere Woche bis zur Ankunft des nächsten Dampfers warten müßten, vielleicht sogar noch länger. Jetzt erwog der Deutsche meinen Vorschlag ernstlich. Ohne Frage war dieses Unternehmen riskant, und wer eine Ahnung von der Größe und der geringen Besiedlung dieser Gebiete hat, würde meinen Plan für äußerst gewagt halten. Aber die Liebe zu meinen Nuba machte mich blind.
Der Deutsche verlangte für diese Fahrt, in der ein Aufenthalt von einem Monat bei den Nuba eingerechnet war, 1500 Mark, die vorausbezahlt werden sollten. Ich besaß aber nur noch 1800 Mark, der Rest mußte für meine Weiterreise nach Nairobi reichen. Außerdem hatte ich keine Garantie, ob ich überhaupt zu den Nuba-Bergen kommen würde. Osman Nasr Osman warnte mich dringend, mich auf diese Sache einzulassen. «Im April», sagte er, «kann ich Sie auf eine sehr interessante Inspektionsreise zum Buma-Plateau bis zur äthiopischen Grenze mitnehmen, wo Sie eine großartige Gelegenheit hätten, Tiere und Eingeborene in unerschlossenen Gebieten zu fotografieren.» Ich zögerte. Es war erst Februar, und so lange wollte ich nicht untätig in Malakal bleiben. Der Gedanke, die Nuba mit meinem Besuch zu überraschen, war schon eine fixe Idee geworden.
Mein Versuch, den Deutschen zu bewegen, weniger Geld für diese Reise zu verlangen, hatte zur Folge, daß er die Plätze für den nächsten Nildampfer buchte. In diesem Augenblick fühlte ich, daß mein Wunsch, die Nuba noch einmal zu sehen, stärker war als jede Vernunft. Ich war bereit, das Opfer zu bringen. Schon am nächsten Tag wollten wir abreisen.
Zurück nach Tadoro
W ir warteten am Nil auf die letzte Fähre, die uns an das andere Ufer übersetzen sollte. Die Sonne stand schon tief. Auf dem ruhig dahinfließenden Fluß beobachtete ich, wie Schilluk mit Speeren große Fische aus dem Wasser herausholten. Ihre langen, sehr schmalen Boote kippten bedenklich — mit Herzklopfen dachte ich an die vielen Krokodile, die besonders zu dieser Abendstunde hier auf Beute lauerten. Während der Überfahrt versank die Sonne hinter der vor uns liegenden endlosen Steppe am Horizont.
Wir saßen zu dritt vorn im VW-Bus, der bis zur Decke vollbepackt war, ich zwischen dem Deutschen und dem Engländer, von dem ich immer noch nicht mehr wußte, als daß er gern zeichnete. Rechts und links von uns zog die einsame baumlose Savanne vorbei, keine Hütte, kein Mensch war zu sehen.
Der Deutsche fuhr gut, ab und zu konnte er sich nach den Spuren richten, die noch von unserem Unimog sichtbar
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