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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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Herrscherhaus verwandt war, bis hinauf zum englischen Königshaus und dem vor fast 50 Jahren verstorbenen Kaiser Franz Joseph von Österreich und König von Ungarn. Darüber offenbar respektvoll erstaunt, erlaubte man uns, den Kraal zu betreten. Es lohnte sich. Ich gestehe, ich hatte so interessante Masai noch nie gesehen, und nach einiger Zeit durfte ich sie auch fotografieren. Ihre ursprüngliche Zurückhaltung verschwand, aber so zutraulich wie die Nuba wurden sie nicht.
      Manchmal brachten sie mich in ihrer Unberechenbarkeit zur Verzweiflung, sie hielten ihre Zusage nicht ein und ließen mich oft stundenlang warten, dann aber konnten sie wieder entwaffnend nett sein. Sie zeigten uns, wie sie ihre Schilder anfertigten, was die Muster darauf bedeuten und führten uns sogar Scheinkämpfe vor. Auffallend die feinen, fast weiblichen Gesichtszüge von fremdartiger Schönheit, die viele der jungen Masai, die Morani genannt wurden, aufwiesen. Betont wurde dies feminine Aussehen, in krassem Gegensatz zu ihren männlichen Eigenschaften, noch durch ihre langen rotgefärbten Haare, die kunstvoll in kleinen Zöpfen geflochten und deren Enden in Ziegenleder eingewickelt waren. Neun Jahre dauerte die Ausbildungszeit eines Moran. Jeder besaß Speer und Schild. Speere durften sie damals noch tragen, aber die Schilder hatte ihnen die englische Verwaltung schon verboten. Schilder konnten Kampf oder Streit bedeuten, während der Speer eine lebensnotwendige Waffe gegen die wilden Tiere war.
      Die britischen Kolonialbeamten waren schon längst von der Praxis abgekommen, die Masai nach Viehdiebstählen in ein Gefängnis zu stecken. Ihr Freiheitsdrang war so groß, daß sie die Nahrung verweigerten und starben. Deshalb hatten die Engländer eine andere Strafe gewählt. Der Masai mußte sein Lieblingsrind abliefern. Die Härte dieser Strafe ist nur zu verstehen, wenn man weiß, was das für einen Masai bedeutet. Sie haben eine geradezu magische Beziehung zu ihren Rindern, wie es auch bei den Hindus in Indien noch jetzt der Fall ist. Das Lieblingsrind ist für einen Masai das Höchste, was er besitzt. Ein junger Masai-Krieger, zu dieser Strafe verurteilt, war so verzweifelt, daß er während einer öffentlichen Veranstaltung, in der sein Rind ein neues Brandzeichen erhielt, zum Speer griff und den englischen Beamten tötete. Er wußte, daß er diese Tat mit dem Leben bezahlen mußte.
      Ich war allein unterwegs, hatte mich verfahren und kurvte ziemlich ratlos in der Gegend herum. Da sah ich am Horizont zwei Masai mit Speeren und Schildern auftauchen. Ich fuhr auf sie zu und fragte nach dem Weg, törichterweise in Englisch, worauf der eine zu meiner Überraschung in einwandfreiem Englisch antwortete.
      Verblüfft fragte ich: «Wie kommt es, daß Sie so gut englisch sprechen?»
      «Ich habe es in der Schule gelernt.»
      «Auf welcher Schule?»
      «In Nairobi, dann in London.»
      «Was haben Sie in London gemacht?»
      «Meinen Doktor. Ich bin Lehrer.»
      Ich war sprachlos. Der Masai sah aus wie aus einem Bilderbuch der Ethnologie.
      «Warum sind Sie denn hier in diesem Aufzug?»
      Da sagte er lächelnd: «I like to be a Masai» — ich möchte ein Masai sein.
      Nicht alle Masai haben die Fähigkeit, das Alte zu bewahren und das Neue in ihr Leben zu integrieren. Zum Abschluß meiner drei Monate dauernden Fotosafari durch die Masai-Gebiete Kenias und Tanganjikas erlebte ich ein seltenes Fest mit, eine Zeremonie, die nur alle fünf bis sechs Jahre einmal zelebriert wird. Bei diesem werden Jünglinge, die zu «Moranis» geweiht werden, beschnitten und den älteren, deren Zeit als «Morani» beendet war, die Zöpfe abgeschnitten. Es ist ein Liebesfest. Drei Tage tanzten junge Mädchen und Moranis, nicht nach Musik, sondern nach rhythmischen Gesängen. Viel Honigbier wurde getrunken, und das Fest artete in Sexorgien aus. Noch bevor es beendet war, verließen wir es. Was ich gesehen und aufgenommen hatte, war ungewöhnlich. Meine Filme waren bis aufs letzte Bild belichtet. Benommen von allem, was wir erlebt hatten, kehrten wir nach Nairobi zurück. Dort verließ ich den Prinzen, den sympathischsten aller meiner Reisebegleiter.
      Vor dem Abflug verbrachte ich einige Tage in Malindi am Indischen Ozean. Der weite, herrliche Strand war menschenleer und ich im «Lawfords-Hotel» der einzige Gast. Die wunderbare Bucht mit den großen Wellen, die es, unabhängig vom Wind, immer dort gab
und damals noch in

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