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Memoiren 1945 - 1987

Memoiren 1945 - 1987

Titel: Memoiren 1945 - 1987 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leni Riefenstahl
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durchfahren. Da sah ich plötzlich aus dem Gebüsch drei Dinka-Krieger herauskommen, überschlanke, hohe Gestalten mit Speeren und den traditionellen breiten Perlengürteln. In dieser Aufmachung waren sie nur noch selten zu sehen. Ich bat den Fahrer zu halten, was er nur unwillig tat. Damals wußte ich noch nichts von den Spannungen zwischen den Süd- und Nordsudanesen, die zu den immer wieder aufflakkernden Aufständen im südlichen Sudan führen. Ich dachte nur an die nie wiederkehrende Gelegenheit, diese seltene Gruppe aufzunehmen, und sprang mit meiner Leica aus dem Wagen. Zögernd ging ich auf die drei Dinkas zu und blieb wenige Meter vor ihnen stehen — die Dinka ebenso. Als ich auf meine Kamera deutete, verstanden sie sofort. Der Größte kam auf mich zu und zeigte mir seine offene Hand. Sie wollten Geld. Hier kommen viele Touristen auf dem Nilboot vorbei. Ich nickte ihnen zu, aber irgendwie war mir die Sache nicht ganz geheuer. Ich machte nur wenige Aufnahmen und ging zum Wagen, um das Geld zu holen. Als ich meine Tasche öffnete, fiel mir siedendheiß ein, daß ich kein Geld mehr hatte, nur einen Scheck, den ich in Juba einlösen wollte. Unwillig beobachteten mich die Dinka. Plötzlich riß mir einer die Tasche aus der Hand. Ich versuchte, alles einzusammeln, was herausgefallen war. Da standen nicht mehr drei Dinka neben mir, sondern fünf oder sechs, und immer mehr kamen aus dem Gebüsch. Die Dinka fühlten sich mit Recht betrogen. Sie gestikulierten heftig und nahmen mit ihren Speeren eine drohende Haltung an. In diesem gefähr
lichen Augenblick fiel mein Blick auf eine Tabakdose aus Messing, die ich in Malakal gekauft hatte. Auf ihrem Deckel war ein Spiegel. Ich hielt die Dose hoch zur Sonne, daß sie wie Gold glänzte, und warf sie in hohem Bogen über die Köpfe der Dinka in das Gras. Während sie nach der Dose rannten, startete mein Fahrer. Ein Wunder, daß der Wagen aus dem Schlamm herauskam, und unser Glück, denn die Dinka liefen mit ihren Speeren und lautem Geheul noch lange dem Fahrzeug nach. Der Fahrer und ich hatten Todesangst, denn würde der Wagen steckenbleiben, erlebten wir die Rache der Dinka. Nur dieses einzige Mal auf meiner Expedition bin ich von Eingeborenen bedroht worden. Es war mein eigenes Verschulden.
      Viel zu früh brach die Dämmerung herein, die Fähre hatten wir verpaßt. Erst nachts erreichten wir den Nil. Im Sudan gibt es kaum eine Gegend, die von Moskitos so heimgesucht wird, wie der südliche Nil. Es wurde eine qualvolle Nacht.

    Juba

    M it der ersten Morgenfähre überquerten wir den Nil, wo mich der Fahrer zum Rasthaus von Juba brachte. Es war mehr als primitiv, mit Wanzen in der Matratze. Ich hatte nur einen Wunsch, so schnell als möglich von hier fortzukommen. Aber wie? Ich war ohne Fahrzeug und fast ohne Geld. Mein Rückflugticket ging von Nairobi, und bis dorthin waren es noch einige hundert Kilometer. Zwischen Juba und Nairobi gab es damals weder eine Bahn- noch Busverbindung. Über die Chance, mich vielleicht von Lastwagen mitnehmen zu lassen, mußte ich mich aber erst informieren. Bevor ich in die Stadt ging, überlegte ich, was ich noch anziehen konnte. Die meisten Kleider waren zerrissen und von Ameisen durchlöchert. Ich konnte sie nur noch wegwerfen. Zum Glück besaß ich noch einen Rock und eine saubere Bluse.
      Mein erster Weg führte zum Postamt. Als ich meine Briefe in Empfang nahm, zögerte ich, sie zu öffnen. Immerhin war ein halbes Jahr vergangen, seit ich München verlassen hatte. Erleichtert atmete ich auf, meine Mutter war gesund — das einzig Wichtige. Sie hatte auch Post von mir erhalten. Weniger gut war, daß ich keine Nachricht von Ulli vorfand, dem Sekretär meines Freundes Harry Schulze-Wilde, den dieser mir in München für die Vorbereitungen der Sudan-Reise «geliehen» hatte. Das war beunruhigend, denn er sollte mir telegrafisch den Empfang meiner belichteten Filme bestätigen, die ich in Malakal aufgegeben hatte. Er hatte fest versprochen, über jeden Film, die alle numeriert waren, genau zu berichten, über Unschärfen und Fehlbelichtungen. Sollten durch das Rütteln der Fahrzeuge Kameras oder Linsen defekt und ein Teil der Aufnahmen unbrauchbar geworden sein? Ein schrecklicher Gedanke. Bei meiner Rückkehr ins Rasthaus erlebte ich eine nicht angenehme Überraschung. Ich traf auf Oskar Luz und die Nansen-Leute, die ich schon längst in Kenya vermutet hatte. Wir begrüßten uns kühl, und sie vermieden alles, um auch nur ein Wort

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